JudikaturOGH

7Ob149/12f – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** S*****, vertreten durch Dr. Herbert Wabnegg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer Eberl, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Juni 2012, GZ 39 R 424/11h 29, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 29. September 2011, GZ 9 C 899/10a 19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„1. Die gerichtliche Aufkündigung vom 22. 12. 2010 zu 9 C 899/10a wird aufgehoben.

2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei das Geschäftslokal top 3 und top 3a im Haus 1140 Wien, *****, binnen 14 Tagen, geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben, wird abgewiesen.

3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit insgesamt 5.822,58 EUR (darin enthalten 915,83 EUR an USt und 336,40 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 12 MRG.

Der Kläger ist nunmehr unstrittig Hauptmieter eines Geschäftslokals in einem Haus in  1140 Wien. Das Geschäftslokal ist an die Beklagte untervermietet. Der Kläger ist seit 2009 mit 24 % an der in Liquidation befindlichen J***** GmbH beteiligt, die zum Betrieb eines Imbissstands in V***** gegründet wurde, und dort mit einem Entgelt von 1.150 EUR monatlich als Kellner angestellt. Die restlichen 76 % an der GmbH hält die Lebensgefährtin des Klägers. Die Liquidation der GmbH steht damit im Zusammenhang, dass nach einer Information der Steuerberaterin des Klägers der Betrieb der GmbH teurer ist als der Betrieb einer Einzelfirma. Der Kläger beabsichtigt, in Zukunft eine Einzelfirma zu betreiben. Er suchte bei der Gewerbebehörde um Nachsicht vom Befähigungsnachweis an, die ihm auch gewährt wurde. Von der Ausübung eines Gewerbes ist er jedoch nach § 13 Abs 1 Z 1 lit b GewO ausgeschlossen, weil er vorbestraft ist. Über ein Gnadengesuch an das Bundesministerium für Justiz ist bislang nicht entschieden.

Das derzeitige Einkommen des Klägers reicht nicht aus, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, weshalb er auf die Unterstützung seiner Lebensgefährtin und seiner Mutter angewiesen ist. Pro Monat zahlt er 375 EUR Unterhalt für seine beiden Kinder.

Der Kläger beabsichtigt, im aufgekündigten Objekt einen eigenen Gastronomiebetrieb zu führen, dies mit Hilfe von Mitarbeitern.

Der Kläger kündigte der Beklagten das Geschäftslokal aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 12 MRG auf, weil er das Bestandobjekt für den Betrieb eines Gastronomieunternehmens selbst benötige. Eine dritte Person könnte ihre Gewerbeberechtigung zur Verfügung stellen. Im Übrigen habe er die Auskunft erhalten, er könne ab Herbst 2011 eine Gewerbeberechtigung beantragen. Derzeit verfüge er über keine ausreichenden Einnahmen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er werde von seiner jetzigen Freundin und von seiner Mutter finanziell unterstützt.

Die Beklagte erhob Einwendungen und beantragte die Aufhebung der Aufkündigung. Der geltend gemachte Kündigungsgrund des Eigenbedarfs sei nicht ausreichend vorgebracht worden. Die Aufkündigung resultiere vor allem aus den familiären Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und seiner Ex Frau, der Geschäftsführerin der Beklagten. Ihr gegenüber habe der Kläger auch angegeben, das Objekt wieder untervermieten zu wollen. Darüber hinaus weise der Kläger Vorstrafen auf, er verfüge über keine Gewerbeberechtigung und könne daher keinen eigenen Gewerbebetrieb führen.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und trug der Beklagten die Räumung und Übergabe des Objekts auf. Es bejahte das Vorliegen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 12 MRG. Dem Kläger sei ein wichtiges Interesse an dem untervermieteten Geschäftslokal zuzubilligen, weil er dieses zum Betrieb eines eigenen Gastgewerbeunternehmens benötige.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 12 MRG vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, die Aufkündigung als rechtsunwirksam aufzuheben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen oder ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt. Die Behandlung der Revision in der Sache ist ein Gebot der Rechtssicherheit (§ 502 Abs 1 ZPO).

Dem Untervermieter stehen dem Untermieter gegenüber grundsätzlich die gleichen Kündigungsgründe wie dem Vermieter gegenüber dem Hauptmieter zu, soweit die Gründe hiefür in Betracht kommen. Darüber hinaus gewährt § 30 Abs 2 Z 12 MRG der mit § 19 Abs 2 Z 12 MG im Wortlaut übereinstimmt, sodass die dazu ergangene Rechtsprechung anwendbar bleibt dem Untervermieter eine erweiterte Kündigungsmöglichkeit (1 Ob 519/91 mwN).

Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 12 MRG liegt vor, wenn bei Untermietverhältnissen durch die Fortsetzung der Untermiete wichtige Interessen des Untervermieters verletzt würden. Diese Kündigungsmöglichkeit besteht auch bei der Untervermietung von Geschäftsräumen (6 Ob 79/01p). Nach ständiger Rechtsprechung sind unter diesen wichtigen Interessen des Untervermieters alle Momente zu verstehen, die für den Untervermieter vom Standpunkt seiner Familieninteressen oder seiner geschäftlichen Bedürfnisse von maßgeblicher Bedeutung sind, ohne dass es sich geradezu um eine Lebensnotwenigkeit handeln muss. Zu diesen Interessen gehört zufolge ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch der Eigenbedarf, jedoch unter Anlegung eines weniger strengen Maßstabs als bei der Aufkündigung eines Hauptmietverhältnisses und ohne Interessenabwägung oder Ersatzbeistellung (RIS Justiz RS0070689). Auch wenn die Rechtsprechung diesem Kündigungsgrund eine weniger strenge Auslegung als beim Kündigungsgrund des dringenden Eigenbedarfs bei Hauptmiete zuteil werden lässt, muss der Bedarf doch so schwerwiegend sein, dass er unbedingt gedeckt werden soll und ihm nicht anders als durch Kündigung abgeholfen werden kann (RIS Justiz RS0069225).

In diesem Sinn hat der Vermieter, der eine Neugründung des Unternehmens plant wie hier der Kläger, der das in V***** betriebene Unternehmen zu erweitern nach eigenem Vorbringen nicht vorhat, das beabsichtigte Unternehmen zumindest in groben Zügen zu umschreiben. Das Vorbringen des Klägers lässt nicht nur offen, welcher Art das von ihm vorgesehene Gastronomieunternehmen sein soll, sondern auch, innerhalb welchen zeitlichen Rahmens er die Gründung des Unternehmens vornehmen will. Auf die Absicht des Vermieters, zu einem zukünftigen, nicht näher bestimmten Zeitpunkt in dem Bestandobjekt einen nicht näher konkretisierten Gastronomiebetrieb führen zu wollen, kann ein dringender Eigenbedarf nicht gestützt werden, was umso mehr gilt, wenn auch die Verwirklichung nach dem eigenen Vorbringen des Vermieters ungewiss ist. Der Kläger hat selbst das Vorliegen eines Gewerbeausschlussgrundes zugestanden. In diesem Fall hätte er jedenfalls konkrete Umstände zu behaupten gehabt, warum es ihm dennoch möglich sei, in absehbarer Zeit ein Gastronomieunternehmen zu betreiben. Ob sein Gnadengesuch erfolgreich sein wird, ist fraglich. Seine Behauptung, eine dritte Person könnte ihm ihre Gewerbeberechtigung zur Verfügung stellen, lässt nicht den Schluss zu, der Kläger könnte in einem solchen Fall einen Gewerbebetrieb selbst legal führen. Es fehlen weiters jegliche Behauptungen dazu, aus welchem Grund der Kläger sein Unternehmen ausschließlich im aufgekündigten Objekt betreiben kann und warum es dem Kläger unzumutbar sein soll, das erst zu eröffnende Geschäft an anderer Stelle als in den in Bestand gegebenen Räumlichkeiten zu führen.

Soweit der Kläger in der Revisionsbeantwortung argumentiert, er müsse das Unternehmen nicht als natürliche Person betreiben, sondern er könne es auch in einer anderen nicht näher festgelegten Rechtsform betreiben und einen gewerberechtlichen Geschäftsführer einsetzen, ist ihm entgegenzuhalten: Liegt einer der in § 13 GewO aufgezählten Gründe vor, ist die betreffende Person von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, was bedeutet, dass Antritt und Ausübung eines Gewerbes rechtlich nicht möglich ist. Bei Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers ist wesentlich, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 GewO nicht nur hinsichtlich des (fakultativen oder obligatorischen) Geschäftsführers, sondern auch hinsichtlich der Person des eigentlichen Gewerbeinhabers zu prüfen sind. Gemäß § 13 Abs 7 GewO sind andere Rechtsträger als natürliche Personen von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß § 13 Abs 1 bis 5 oder 6 GewO von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Durch die Bestellung eines (fakultativen) Geschäftsführers kann also nur die Erbringung des Befähigungsnachweises, nicht aber das Fehlen sonstiger insbesondere allgemeiner Gewerbevoraussetzungen „suppliert“ werden. Bei der Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers handelt es sich um ein Akzessorium des Gewerberechts ( Grabler/Stolzlechner/Wendl , Kommentar zur GewO § 13 Rz 5, VwGH 88/04/0036).

Damit ist ein Betrieb eines Gastronomiebetriebs im aufgekündigten Objekt durch den Kläger als natürliche Person oder auch durch einen anderen Rechtsträger, auf den der Kläger maßgeblichen Einfluss hat, derzeit in keiner Weise zeitlich absehbar. Die Urteile der Vorinstanzen sind in eine Aufhebung der Aufkündigung abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit b GGG beträgt die Bemessungsgrundlage bei gerichtlichen Kündigungen von Bestandverträgen 750 EUR, die Gerichtsgebühr für die Berufung war daher nur mit 130 EUR zu berücksichtigen.

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