8Ob103/12y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen H***** W*****, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17 19, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 4. Juli 2012, GZ 2 R 149/12d 31, mit dem über Rekurs der Republik Österreich der Beschluss des Bezirksgerichts Knittelfeld vom 4. Mai 2012, GZ 4 A 28/12s 25, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden in Ansehung der Forderung der Republik Österreich auf Zahlung von Gerichtsgebühren nach TP 7 lit c Z 2 GGG in Höhe von 78 EUR (Zahlungsaufforderung vom 12. 3. 2012) dahin abgeändert, dass
a) diese Forderung als Masseforderung im Sinn des § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt,
b) der Nachlass in diesem Betrag der Republik Österreich zur vollständigen Berichtigung dieser Forderung an Zahlungs statt überlassen und
c) der nach Berichtigung dieser sowie von vier weiteren bevorrechteten Forderungen verbleibende Nachlass dem Sozialhilfeverband der Bezirkshauptmannschaft ***** zur teilweisen Berichtigung seiner Forderung von 67.682,07 EUR sowie der Sachwalterin C***** W***** zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderung für die Bezahlung der Medikamente und der Fußpflege von insgesamt 50 EUR, jeweils im Verhältnis zur Summe dieser Forderungen, an Zahlungs statt überlassen wird.
Die dadurch erforderliche Änderung der Vollzugs und Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.
Text
Begründung:
Die Verlassenschaft nach H***** W***** ist überschuldet. Für H***** W***** war zu 8 P 2690/95z des Erstgerichts eine Sachwalterin bestellt. Diese legte nach seinem Tod die Schlussrechnung und beantragte deren Genehmigung sowie die Zuerkennung einer Entschädigung von 100 EUR. Mit Beschluss vom 6. 3. 2012 bestätigte das Pflegschaftsgericht die Schlussrechnung und erkannte der Sachwalterin eine Entschädigung in der beantragten Höhe zu. Mit der im Revisionsrekursverfahren allein noch zu behandelnden Zahlungsaufforderung vom 12. 3. 2012 trug das Erstgericht der Verlassenschaft die Zahlung einer Pauschalgebühr gemäß TP 7 lit c Z 2 GGG in Höhe von 78 EUR auf und meldete diese Forderung im Verlassenschaftsverfahren an.
Das Erstgericht überließ den Nachlass den Gläubigern gemäß §§ 154, 155 AußStrG an Zahlungs statt, und zwar zunächst der Gerichtskommissärin und der Sachwalterin (für drei Forderungen) in der jeweils angemeldeten Höhe zur vollständigen Berichtigung ihrer Forderungen, sodann einer Pflegeinstitution, der Revisionsrekurswerberin und der Sachwalterin (für eine weitere Forderung) zur verhältnismäßigen Befriedigung ihrer Forderungen im Sinn des § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG.
Das Rekursgericht gab dem von der Revisionsrekurswerberin gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs nicht Folge. Die Gerichtsgebühr für die Entscheidung über die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung (§ 137 AußStrG) gemäß TP 7 lit c Z 2 GGG sei im Verlassenschaftsverfahren des Betroffenen keine privilegierte Masseforderung, sondern lediglich als allgemeine Forderung zu berücksichtigen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur hier zu beurteilenden Rechtsfrage Rechtsprechung fehle.
Mit ihrem Revisionsrekurs strebt die Republik Österreich nur mehr die Anerkennung der geltend gemachten Pauschalgebühr für die Bestätigung der Schlussrechnung in Höhe von 78 EUR (Zahlungsaufforderung vom 12. 3. 2012) als Masseforderung und somit deren volle Befriedigung an.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst in seiner Entscheidung vom 2. 10. 2012, 10 Ob 21/12d mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass die Pauschalgebühr für die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung nach TP 7 lit c Z 2 GGG im Verfahren zur Überlassung einer überschuldeten Verlassenschaft an Zahlungs statt (§ 154 AußStrG) in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO als Masseforderung (§ 46 Z 2 IO) zu qualifizieren ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Qualifikation einer Forderung als Masseforderung sei bei einer Überlassung an Zahlungs statt der Tod des Erblassers. Der die Gebührenpflicht auslösende Sachverhalt sei hier die Bestätigung der Schlussrechnung bei Beendigung der Vermögensverwaltung durch das Pflegschaftsgericht, die bei bis zum Tod bestehender Sachwalterschaft zwangsläufig nach diesem Zeitpunkt erfolge.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (ebenso 1 Ob 164/12t) und verweist auf die Gründe der zitierten Entscheidung. Damit sind die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen unbekämpft geblieben sind, dahin abzuändern, dass die strittige Gebührenforderung als Masseforderung im Sinn von § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt und die Nachlassaktiven in diesem Umfang der Republik Österreich zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderung überlassen werden. Die Zuweisungen an die Gerichtskommissärin und die Sachwalterin (für deren bevorrechtete Forderungen) bleiben davon unberührt, jene an die beiden Gläubiger, deren unbestrittene Forderungen unter § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG fallen und im Verhältnis ihrer Höhe zu verteilen sind, vermindern sich entsprechend.