JudikaturOGH

6Ob193/12v – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** D*****, vertreten durch Dr. Teja Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Dr. M***** L*****, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin Mag. K***** H*****, diese vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 17. August 2012, GZ 7 R 87/12h 9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Berufungsgericht mit dem Auftrag übermittelt, seine Entscheidung um einen Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zu ergänzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei die Räumung des zweiten und des dritten Obergeschosses seines Hauses wegen titelloser Benützung.

Die Vorinstanzen gaben dem Räumungsbegehren übereinstimmend statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, und bewertete den Entscheidungsgegenstand nicht.

Nunmehr legte das Erstgericht die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision der beklagten Partei dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Ob der Oberste Gerichtshof funktionell zuständig ist, kann derzeit nicht beurteilt werden:

Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nach § 508 Abs 1 ZPO einen nach § 508 Abs 2 ZPO befristeten Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Demgegenüber kommt es nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO auf den Wert des Entscheidungsgegenstands nicht an, wenn es sich um eine unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallende Streitigkeit handelt und (unter anderem) über eine Räumung entschieden wird. § 49 Abs 2 Z 5 JN erfasst dabei alle Streitigkeiten aus Bestandverträgen über die in § 560 ZPO bezeichneten Sachen, aus genossenschaftlichen Nutzungsverträgen und Teilpachtverträgen. Wenn sich Räumungsklagen auf die Benützung ohne Rechtsgrund beziehen, sind sie nicht als Bestandstreitigkeiten iSd § 49 Abs 2 Z 5 JN anzusehen (RIS Justiz RS0043261 [T9]; RS0046865).

Für die Frage, ob der im § 502 Abs 5 Z 2 ZPO angeführte Ausnahmefall einer streitwertunabhängigen Revisionszulässigkeit vorliegt, ist grundsätzlich von den Behauptungen des Klägers auszugehen (RIS Justiz RS0043003; vgl auch RS0046236 [T2]). Der in der Rechtsprechung als Ausnahme von diesem Grundsatz erwähnte Fall, dass ein Rückgriff auf die Einwendungen des Beklagten zulässig sei, wenn dadurch ein auslegungsbedürftiges Vorbringen des Klägers verdeutlicht werden könne, liegt im Hinblick auf das eindeutige Klagsvorbringen nicht vor. Es kommt daher nicht darauf an, dass die beklagte Partei das Vorliegen eines Bestandverhältnisses behauptete.

Der vorliegende Rechtsstreit dient nicht der Durchsetzung eines Räumungsbegehrens unter Berufung auf die Beendigung eines Schuldverhältnisses nach § 49 Abs 2 Z 5 JN zwischen den Streitteilen, sondern vielmehr der Beendigung einer behaupteten rechtsgrundlosen Benützung bestimmter Teile der Liegenschaft des Klägers. Das Berufungsgericht hätte daher gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO den Entscheidungsgegenstand bewerten müssen. Der Umstand, dass der Kläger den Wert des Streitgegenstands mit 48.000 EUR angab, macht einen Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts nicht entbehrlich, weil dieses an die vom Kläger vorgenommene Bewertung nicht gebunden ist (RIS Justiz RS0043252). Sollte das Berufungsgericht aussprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt, erwiese sich die außerordentliche Revision als jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO). Bei einem 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstand wäre die Zulässigkeit der Revision gemäß § 508 Abs 3 bis 5 ZPO vom Berufungsgericht zu beurteilen; nur im Fall eines 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstands vom Obersten Gerichtshof. Damit die funktionelle Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs geklärt werden kann, muss das Berufungsgericht den Bewertungsausspruch nachholen und sofern der Wert des Entscheidungsgegenstands letztlich zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt die als „außerordentliche Revision“ bezeichnete Eingabe (allenfalls nach Verbesserung) als Antrag nach § 502 Abs 3 ZPO behandeln.

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