12Os62/12b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ergun S***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten C***** Ltd gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. November 2011, GZ 124 Hv 77/11v 113, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen Freispruch und einen Privatbeteiligenzuspruch enthaltenden Urteil wurde Ergun S***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich unter Vorspiegelung, die von ihm eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten, sowie unter Vorgabe seiner bzw der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der C*****, zu Handlungen verleitet, die diese bzw das angeführte Unternehmen in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar
I./ in der Zeit von Juni 2007 bis August 2007 als faktisch Verantwortlicher der E-C***** GmbH (sodann A***** GmbH) Verfügungsberechtigte der C***** Limited, E*****, durch die Vorlage von als faktische In-Sich-Geschäfte geschlossenen Versicherungsverträgen, bei denen jeweils nur die erste Prämie bezahlt wurde,
1./ zur Auszahlung einer Provision in der Höhe von 52.205,20 Euro für den über Vermittlung der E C***** GmbH (sodann A***** GmbH) am 26. Juni 2007 mit der Privatperson Ergun S***** geschlossenen Vertrag (Polizzen Nr. *****),
2./ zur Auszahlung einer Provision in der Höhe von 87.009,92 Euro für den über Vermittlung der E C***** GmbH (sodann A***** GmbH) am 23. Juli 2007 mit der C***** als Antragsteller und Ergun S***** als versicherte Person geschlossenen Vertrag,
wodurch die C***** Limited, E*****, jeweils im genannten Betrag am Vermögen geschädigt wurde;
II./ am 4. September 2007 Dr. Edmund F***** unter Vorspiegelung, den übernommenen Geldbetrag gewinnbringend zu veranlagen, zur Übergabe von 50.000 Euro, wodurch der Genannte in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Unvollständigkeit im Sinne der Z 5 zweiter Fall liegt nur dann vor, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0098646 [T3]).
Das Erstgericht hat die Verantwortung des Angeklagten, Beweggrund für den Abschluss der beiden Versicherungsverträge mit der C***** Ltd sei es gewesen, in Ansehung eines bei der E***** aushaftenden Kredits aus steuerrechtlichen Gründen und angesichts der Unterdotierung der bestehenden Sicherheiten einen Tilgungsträgerwechsel vorzunehmen, nicht nur mit dem Hinweis auf dessen ausweichende Antworten abgetan (US 26), sondern sie vielmehr den Aussagen der Zeugen K*****, B***** und S***** gegenübergestellt und mit eingehender Begründung verworfen (US 22 ff).
Soweit der Beschwerdeführer aus seiner Einlassung zum Hergang des in Aussicht genommenen (und schlussendlich gescheiterten) Tilgungsträgerwechsels im Wege eigenständiger Beweiswerterwägungen für ihn günstigere Schlussfolgerungen abzuleiten trachtet als das Erstgericht, bekämpft er lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Ebenso keine Unvollständigkeit stellt die weiters gerügte mangelnde Erörterung einzelner isoliert herausgegriffener Aspekte der vom Erstgericht ohnedies in seine Überlegungen miteinbezogenen (US 23) Aussage des Zeugen B***** dar, weil im Hinblick auf das Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ein unter dem Aspekt der Z 5 relevanter Begründungsmangel nicht schon dann gegeben ist, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen und Verfahrensergebnisse erörtert und darauf untersucht, wieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen (RIS-Justiz RS0098778, RS0106642).
Darüber hinaus betreffen die aus der Aussage des genannten Zeugen ableitbaren Gespräche zwischen dem Angeklagten und der C***** Ltd über eine fehlende Akzeptanz durch die E***** (ON 107 S 115 und S 117) einen erst nach der Tathandlung gelegenen Zeitpunkt und stellen daher keinen gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen (Gespräche mit der E***** im Jahr 2007 ausschließenden [US 14 dritter und vierter Absatz]) Annahmen sprechenden erheblichen (zum Begriff Ratz , WK StPO § 281 Rz 409 ff) und nur solcherart erörterungsbedürftigen Umstand dar.
Zwar führt die Rüge zutreffend aus, dass sich aus den Beilagen ./E und ./H (des Hauptverhandlungsprotokolls ON 95) ein Schriftverkehr mit dem Zeugen S***** erst im Juli 2010 (vgl US 23) nicht ableiten lässt. Nach dem Inhalt dieser Urkunden fand dieser jedoch erst mehrere Monate nach der inkriminierten Tathandlung im Frühjahr 2008 statt, sodass der Einwand kein erhebliches Verfahrensergebnis anspricht und demgemäß den Bezugspunkt der geltend gemachten Nichtigkeit verfehlt (vgl RIS-Justiz RS0118316).
Auch der Vorwurf unterbliebener gesonderter Erörterung der Beilagen ./8.7 und ./8.8 des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Mag. Si***** (ON 110 S 643 f) begründet keine Unvollständigkeit, weil die daraus nach Ansicht des Beschwerdeführers ableitbare Initiierung des Rückkaufs der Polizzen durch seine Person auch laut diesen Urkunden erst im Februar 2008, also nach dem Tatzeitpunkt erfolgte und damit der erstgerichtlichen Annahme einer von Seiten der E***** nicht vor Februar 2008 veranlassten Aufhebung der Vinkulierung (US 27 erster Absatz) nicht entgegensteht. Damit lässt sich daraus nicht ableiten, dieses Kreditinstitut hätte verspätet doch sein Einverständnis zu einem Tilgungsträgerwechsel erteilt (vgl RIS Justiz RS0098646).
Mit dem Vorwurf, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite seien „nicht angetan, überzeugend einen Schuldspruch im Sinne von § 146 StGB zu stützen“, übergeht der Beschwerdeführer die zulässige Ableitung der Konstatierungen zur inneren Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz , WK StPO § 281 Rz 452) sowie die zum Betrugsvorsatz angestellten, umfassenden Erwägungen der Tatrichter (US 27 bis 29). Im Übrigen versucht er mit dem Hinweis darauf, weitere Prämienzahlungen (nach den die Provisionen auslösenden) seien nur aus wirtschaftlichen Überlegungen für den Fall der Nichtakzeptanz der (neuen) Tilgungsträger - und somit zu den Tatzeitpunkten nicht vorhersehbar unterblieben, erneut, die Beweiswürdigung des Erstgerichts in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Weise zu bekämpfen.
Zum Schuldspruch II./ behauptet die Mängelrüge Unvollständigkeit der Begründung der Feststellungen zur Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit des Beschwerdeführers, orientiert sich dabei der Verfahrensordnung zuwider jedoch nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 394), indem sie die Würdigung der Aussage des Angeklagten, die finanzielle Situation der C***** stets gekannt zu haben (US 20 dritter Absatz), sowie die vom Erstgericht angenommene mangelnde Kenntnis der Unterlagen der Stiftung durch die Zeugen F*****, W*****, T***** und G***** (US 21) übergeht. Soweit sie darüber hinaus die Kenntnis des Beschwerdeführers von der Zahlungsunfähigkeit der C***** in Frage stellt, unternimmt sie erneut eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige eigenständige Bewertung der vom Erstgericht vollständig gewürdigten Verfahrensergebnisse.
Das Schöffengericht war nicht verhalten, die schriftliche Vereinbarung vom 5. September 2007 (ON 75 S 399) gesondert zu erörtern, weil sie den Annahmen einer Investition „in eine von der Stiftung gehaltene Beteiligung“ (US 15) und der von den Tatrichtern gewürdigten Aussage des Zeugen Dr. F***** (US 29 letzter Absatz), es bei der nachträglich erfolgten schriftlichen Aufsetzung der Paramter der nunmehrigen Investition nicht mehr so genau genommen zu haben (US 29), nicht entgegensteht. Mit den vom Nichtigkeitswerber in diesem Zusammenhang gezogenen Schlussfolgerungen zur Erwartungshaltung des Zeugen Dr. F***** anlässlich der inkriminierten Geldübergabe, stellt die Mängelrüge erneut lediglich eigene beweiswürdigende Erwägungen nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung an.
Die vom Beschwerdeführer in Ansehung des Schuldspruchs II./ und des Freispruchs B./ mit dem Hinweis auf den zeitlichen Zusammenhang der jeweiligen Geldübergaben vom 4. September 2007 (US 15) und vom 1. Oktober 2007 (US 16) behauptete unzureichende Begründung der unterschiedlichen Feststellungen zum Täuschungsvorsatz (Z 5 vierter Fall) liegt nicht vor, weil das Erstgericht empirisch einwandfrei darlegte, aus welchen Gründen es beim Schuldspruch II./ zu den entsprechenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite gelangte, und zum Freispruch B./ festhielt, dass ein Täuschungsvorsatz infolge eines Versehens (US 16) nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellbar war (US 30 f).
Soweit die Mängelrüge unter Hinweis auf die einen Betrag von 18.900 Euro und damit ausschließlich das Freispruchsfaktum ./B betreffende Beilage ./J (zu ON 112) die nachträglichen Bemühungen des Angeklagten zur Schadensgutmachung und - gestützt auf die Erwägungen der Tatrichter (US 31) zum Freispruch vom Vorwurf der betrügerischen Krida (Punkt A./I. der Anklage) sein Bemühen um Optimierung der Finanzsituation der C***** hervorhebt und daraus die Unmöglichkeit der Annahme eines Schädigungs- und Bereicherungsvorsatzes ableitet, stellt sie erneut unzulässige eigenständige Beweiserwägungen an und verfehlt damit den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Über die Berufungen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und (die angemeldete Berufung) der Privatbeteiligen C***** Ltd wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.