JudikaturOGH

11Os90/12p – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. September 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Karlicek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jeton S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 9. Mai 2012, GZ 29 Hv 93/11m 154, sowie dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jeton S***** unter Einbeziehung der im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche (vgl ON 122, ON 144) „des“ Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG schuldig erkannt (A./1./ bis 3./).

Danach hat er in L***** und an anderen Orten

A./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge zweifach übersteigenden Menge, nämlich zumindest 210 Gramm Kokain brutto (mit einem Reinheitsgehalt von 20 %) anderen überlassen, und zwar

1./ von Sommer bis Ende 2009 sowie im Mai und Juni 2010 Michele G***** zumindest 130 Gramm,

2./ im Mai 2010 Edis T***** etwa 10 Gramm,

3./ von Jänner bis Februar 2010 Elvedin H***** zumindest 70 Gramm.

Die gegen die Schuldspruchfakten A./1./ und 3./ aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet der unterschiedlichen Anfechtungsansätze der einzelnen Nichtigkeitsgründe wurden Z 5 und Z 5a sowie Z 9 lit a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO jeweils undifferenziert ausgeführt.

Soweit die gegen den Schuldspruch A./1./ gerichtete Beschwerde im Rahmen der Mängelrüge das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite lediglich behauptet (der Sache Z 9 lit a), genügt sie den geforderten Anfechtungskriterien nicht, weil sie die Konstatierungen zum Vorsatz des Angeklagten auf US 5 f übergeht.

Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch psychologische Vorgang als solcher ist der Anfechtung sowohl aus Z 5 als auch aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen (RIS Justiz RS0106588). Die Einschätzung der Beweiskraft der Aussagen der Zeugen Michele G***** und Elvedin H***** in der Hauptverhandlung unterliegt als Akt der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) im Nichtigkeitsverfahren keiner Überprüfung. Aus welchen Gründen die Tatrichter nicht die in der Hauptverhandlung abgelegten, sondern die vor der Polizei getätigten Zeugenaussagen für zuverlässig befanden, legten sie empirisch einwandfrei dar (US 6 ff). Soweit der Beschwerdeführer dennoch mehrfach versucht, sich unter verschiedenen Aspekten der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf die als unglaubwürdig verworfenen, für ihn günstigeren Angaben der Genannten zu stützen, bekämpft er unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Dem Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) zuwider bestritt der Zeuge Michele G***** bei der im ersten Rechtsgang in der Hauptverhandlung veranlassten Gegenüberstellung zwar nicht, zwei bis drei Gramm, aber sehr wohl größere Mengen Suchtgift von Femi Sa***** bezogen zu haben und schloss damit den Bruder des Angeklagten als Suchtgiftlieferanten der gegenständlich angelasteten Menge dezidiert aus (vgl ON 121 S 16; US 7). Die Begründung der Tatrichter, dass deshalb in Bezug auf die gegenständlichen Tatvorwürfe eine Verwechslung mit dem Bruder des Angeklagten auszuschließen sei, ist empirisch nachvollziehbar und mängelfrei.

Das weitere Vorbringen (Z 5 zweiter Fall), wonach die Polizei zur Vernehmung des Zeugen keinen Dolmetscher zugezogen habe, verbunden mit der spekulativen Behauptung, dass sich daraus Verwechslungen ergeben könnten, zeigt keine Unvollständigkeit auf, sondern verkennt den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen.

Mit dem Hinweis auf ein angeblich nicht eingeleitetes Strafverfahren gegen den Zeugen wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage und der eigenständigen Interpretation des dafür vorliegenden Motivs der Anklagebehörde spricht die Mängelrüge ebenso wenig einen Nichtigkeit bewirkenden Begründungsmangel an, wie mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz.

Soweit die Beschwerde einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (der Sache nach Z 9 lit a) zu einer allfälligen, seit mehreren Jahren bestehenden Suchtmittelabhängigkeit des Zeugen G***** von Kokain rügt, lässt sie erneut die für eine meritorische Erwiderung gebotene methodengerechte Ableitung der behaupteten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz vermissen (RIS Justiz RS0099810).

Indem das Rechtsmittel aus selektiv herausgegriffenen und zum Teil falsch wiedergegebenen Details der Aussagen der Zeugen unter Vernachlässigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370, RS0116504) andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse als das Erstgericht zieht, kritisiert sie nicht an den Anfechtungskriterien orientiert unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Welche weiteren Festellungen über die zum Schuldspruchfaktum A./1./ getroffenen Konstatierungen hinaus für die rechtliche Beurteilung des Geschehens als Straftat erforderlich gewesen wären (der Sache nach Z 9 lit a), lässt die solcherart einer Erwiderung nicht zugängliche Beschwerde offen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 581, 584).

Auch mit ihrer gegen den Schuldspruchpunkt A./3./ gerichteten Kritik zeigt die Mängelrüge weder ein Begründungsdefizit iSd Z 5 auf noch gelingt es ihr erhebliche Bedenken iSd Z 5a des § 281 Abs 1 StPO zu erwecken.

Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurden die unterschiedlichen Depositionen des Zeugen Elvedin H***** nicht übergangen, sondern es wurde vom Erstgericht unter dem Aspekt der Z 5 mängelfrei dargelegt, weshalb der Schöffensenat den Angaben des Genannten zum Teil nicht folgte. Diese tatrichterlichen Erwägungen zur Glaubwürdigkeit (etwa die Annahme von Erinnerungsproblemen) sind kein Gegenstand der Mängelrüge (US 6 und 8). Ebenso wenig liegt ein Begründungsmangel vor, wenn die Tatrichter dem Gebot gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen der Angeklagten erörtern ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 428; RIS Justiz RS0098377).

Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (vgl US 8 f) geht ebenfalls fehl. Bei Fehlen eines Geständnisses können Konstatierungen zur inneren Tatseite des Angeklagten in aller Regel und zulässigerweise nur durch eine lebensnahe Beurteilung seines äußeren Verhaltens getroffen werden (RIS Justiz RS0098671; Ratz , WK StPO § 281 Rz 452).

Mit eigenständigen Beweiswertüberlegungen, der Bezugnahme auf seine leugnende, aber von den Tatrichtern als unglaubwürdig verworfene Verantwortung, sowie der substratlosen Behauptung, das Schöffengericht habe unbedingt seine Verurteilung wollen, gelingt es dem Beschwerdeführer weder einen formalen Mangel (Z 5) aufzuzeigen noch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen (Z 5a) zu erwecken.

Der bloße Einwand: „Geltend gemacht wird der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9a StPO. Gleichzeitig ist das unter diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen auch unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO zu überprüfen“, verkennt nicht nur den grundverschiedenen Anfechtungsgegenstand von Rechts und Subsumtionsrüge, nämlich die Nichtakzeptanz im Gegensatz zur Akzeptanz der Strafbarkeit bei anderer rechtlicher Unterstellung, sondern wird auch dem Gebot der deutlichen und bestimmten Bezeichnung der Nichtigkeit begründenden Tatumstände nicht gerecht (vgl §§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 erster Fall StPO).

Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang aber festzuhalten, dass dem Urteil ein von Amts wegen nicht aufzugreifender, weil dem Angeklagten zum Vorteil gereichender Subsumtionsfehler anhaftet. Der Täter verwirklicht nämlich nicht nur ein, sondern ein weiteres Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG, sobald er wie hier mehr als die zweifache Grenzmenge an Suchtgift in Verkehr setzt (RIS Justiz RS0123911).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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