3Ob107/12z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei D***** W*****, vertreten durch Noll, Keider Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei KR T***** K*****, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO (Streitwert im Verfahren AZ 24 C 8/10p des Erstgerichts: 26.641,60 EUR; Streitwert im Verfahren AZ 24 C 1/11k des Erstgerichts: 49.218,91 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Februar 2012, GZ 47 R 55/12d, 47 R 56/12a 30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 7. November 2011, GZ 24 C 8/10p 25, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Im verbundenen Verfahren AZ 24 C 1/11k des Erstgerichts wird die außerordentliche Revision der klagenden Partei mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Im Rahmen einer von der nunmehrigen Beklagten als betreibender Partei gegen die nunmehrige Klägerin als verpflichteter Partei geführten Exekution nach § 353 EO wurde der Klägerin zugleich mit der Exekutionsbewilligung die Zahlung der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme (laut einem Kostenvoranschlag) in Höhe von 47.520 EUR aufgetragen. Nach beendeter Ersatzvornahme wurde die den Betrag von 47.520 EUR übersteigende Differenz zu den tatsächlichen Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 26.641,60 EUR als weitere Exekutionskosten bestimmt. Beide Beschlüsse wurden ohne vorherige Anhörung der Klägerin gefasst; beide Beschlüsse sind mittlerweile in Rechtskraft erwachsen.
Hintergrund der Exekution nach § 353 EO war Folgender: Die Klägerin und die Beklagte sind Grundstücksnachbarinnen. Im Zuge von Baumaßnahmen lagerte die Klägerin auf ihrem Grundstück Erdaushubmaterial, dessen Beseitigung ihr aufgrund eines über eine Bauverbotsklage ergangenen Urteils aufgetragen wurde. Im Zuge der exekutiven Durchsetzung dieses Titels kam es zu der Ersatzvornahme.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 12. Dezember 2010 wurde der Beklagten als betreibender Partei zur Hereinbringung von 26.641,20 EUR die zwangsweise Pfandrechtsbegründung auf der Liegenschaft der Klägerin als verpflichteter Partei bewilligt. Gegen diese Exekution richtet sich die zu AZ 24 C 8/10p des Erstgerichts eingebrachte Oppositionsklage.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 8. November 2010, GZ 26 E 89/10w 2, wurde der Beklagten als betreibender Partei zur Hereinbringung von 47.520 EUR samt weiteren Kosten (Streitwert insgesamt 49.218,91 EUR) die Zwangsversteigerung der der Klägerin als verpflichteter Partei gehörigen Liegenschaft bewilligt. Gegen diese Exekution richtet sich die zu AZ 24 C 1/11k des Erstgerichts eingebrachte Oppositionsklage.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 31. Jänner 2011 wurden die beiden Oppositionsklagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, führend ist das Verfahren 24 C 8/10p des Erstgerichts (ON 9).
Im Vordergrund der beiden Oppositionsklagen steht die Behauptung der Klägerin, die ihr zum Ersatz auferlegten Kosten der Ersatzvornahme seien weit überhöht und nicht nachvollziehbar. Außerdem habe die Klägerin gegen die Beklagte in Form der Kosten der Rückgängigmachung der (aufgrund der Unrichtigkeit bzw des Unrichtig geworden Seins des Titels) unzulässig gewesenen Ersatzvornahme eine Gegenforderung, mit der bis zur Höhe des zugesprochenen Betrags aufgerechnet werde, weshalb der Anspruch erloschen sei.
Das Erstgericht wies beide Oppositionsklagen ab. Es stellte unter anderem fest, dass zur Durchführung der Ersatzvornahme im Zeitraum von 1. März bis 21. April 2010 583 m³ Erdmaterial händisch entfernt werden musste, wofür die Beklagte einschließlich der Honorierung von Überwachungsmaßnahmen einen angemessenen Gesamt-betrag von 74.161,20 EUR zahlen musste.
Die beiden Oppositionsklagen könnten sich nur gegen die beiden titulierten Ansprüche auf Kostenvorauszahlung (47.520 EUR) bzw Kostenzahlung (26.641,60 EUR) richten, nicht gegen den Anspruch, zu dessen Durchsetzung die Exekution nach § 353 EO bewilligt worden sei. Auch auf Gegenforderungen könne sich die Klägerin nicht stützen, habe sie doch keinen Anspruch auf Wiederanbringung des entfernten Erdmaterials dartun können. Als einziger Oppositionsgrund komme nur eine allfällige Überhöhtheit der im Exekutionsverfahren bestimmten Kosten in Betracht, zumal die Klägerin vor der jeweiligen Beschlussfassung jeweils nicht gehört worden sei. Allerdings ergebe sich aus dem Sachverhalt, dass die Kosten der Ersatzvornahme tatsächlich aufgelaufen seien und dass die Beklagte auch nicht gegen ihre Verpflichtung, die Kosten gering zu halten, verstoßen habe. Die Kosten seien daher richtig verzeichnet und bestimmt worden.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Als einziger tauglicher Oppositionsgrund komme die von der Klägerin jeweils in Punkt 6. der Oppositionsklagen erklärte Aufrechnung in Betracht. Das Vorbringen dazu sei aber zu unbestimmt, weil ihm nicht zu entnehmen sei, welche Gegenforderung (und in welcher Höhe) die Klägerin habe. Eine mögliche Schadenersatzforderung (als Gegenforderung) scheitere schon daran, dass die Beklagte bei Durchsetzung des rechtskräftigen Exekutionstitels nicht rechtswidrig gehandelt habe.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision hinsichtlich des Verfahrens AZ 24 C 8/10p des Erstgerichts (Entscheidungsgegenstand 26.641,60 EUR) nicht zulässig sei; insoweit wurde ein Abänderungsantrag der Klägerin mit Beschluss vom 13. August 2012, AZ 47 R 56/12a, zurückgewiesen.
Hinsichtlich des Verfahrens AZ 24 C 1/11k des Erstgerichts (Entscheidungsgegenstand 49.218,91 EUR) sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei; der Entscheidung komme keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Neben anderen Einwendungen zur Frage eines Verstoßes gegen die Eventualmaxime, zur Frage, ob der Titel, der zur Exekution nach § 353 EO geführt hat, materiell noch aufrecht ist, und zur Frage einer Mangelhaftigkeit des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens steht im Mittelpunkt der Revisionsausführungen, dass die von der Beklagten geltend gemachten und ihr zugesprochenen Kosten aus mehrerlei Gründen unangemessen und überhöht seien.
Rechtliche Beurteilung
Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wird aber nicht aufgezeigt; vielmehr geht die Bedeutung der Entscheidung nicht über den Einzelfall hinaus.
1. Selbst nach dem Vorbringen der klagenden Partei liegt keine nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Titelverfahren ergangene (rechtskräftige) gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Entscheidung vor, die den titelmäßigen Beseitigungsanspruch zum Erlöschen gebracht hätte (vgl RIS Justiz RS0001179, RS0114383).
2. Aus dem Grundsatz, dass der Verpflichtete nicht stärker belastet werden darf als nötig, folgt die Verpflichtung, eine zu erwirkende vertretbare Handlung mit einem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ausreichenden Minimalaufwand an Kosten auszuführen (RIS Justiz RS0016624). Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung ist nach der bisherigen Rechtsprechung davon auszugehen, dass eine Rückzahlung der überhöhten Kosten im Rechtsweg verlangt werden kann (vgl RIS Justiz RS0004686; Klicka in Angst 2 § 353 EO Rz 17; Höllwerth in Burgstaller/Deixler Hübner , § 353 EO Rz 34). Im Oppositionsprozess müsste insoweit eine Gegenforderung geltend gemacht werden. Dem Berufungsgericht ist daher recht zu geben, dass als erfolgversprechender Oppositionsgrund nur eine Aufrechnung in Betracht kommt. Allerdings hat die Klägerin eine entsprechende Gegenforderung nicht in der gebotenen Weise konkretisiert beziffert, sodass sie vom Berufungsgericht zu Recht nicht als tauglicher Oppositionsgrund qualifiziert wurde; auf die in der Berufung enthaltene Mängel und Beweisrüge war aus diesen rechtlichen Erwägungen nicht einzugehen.
3. Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der klagenden Partei zurückzuweisen.