JudikaturOGH

13Os65/12a – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adolf S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Adolf S***** und Adolf G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 1. März 2012, GZ 25 Hv 43/11i 125, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Adolf S***** und aus ihrem Anlass werden das angefochtene Urteil und der hinsichtlich Adolf S***** gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Der Angeklagte Adolf S***** wird mit seiner Berufung ebenso auf diese Entscheidung verwiesen wie der Angeklagte Adolf G***** mit seinen Rechtsmitteln.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden unter Einbeziehung der im ersten Rechtsgang (vgl zu diesem 13 Os 132/11b) in Rechtskraft erwachsenen Teile des Schuldspruchs, die rechtlich verfehlt samt Feststellungen wiederholt wurden (RIS-Justiz RS0100041; Ratz , WK-StPO § 289 Rz 12 und § 293 Rz 6), alle Angeklagten mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels und zwar Sandor C***** nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (A/1/a und b) und nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (A/2/a und b), Adolf S***** und Adolf G***** nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (jeweils A/2/c) sowie Monika H***** nach §§ 12 dritter Fall StGB, 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (C) schuldig erkannt.

Danach haben (soweit im zweiten Rechtsgang noch von Bedeutung) von 2001 bis zum 22. September 2010 an mehreren Orten vorschriftswidrig Suchtgift

(A) in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) in Punkt A/2/c die Grenzmenge übersteigenden Menge als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung

1) anderen überlassen, und zwar

a) Sandor C***** von Oktober 2008 bis 4. Juni 2010, indem er Adolf S***** und Adolf G***** 60.000 Stück Ecstasy-Tabletten (mit einer nicht festgestellten Menge der Reinsubstanz MDMA), 3.000 Gramm Kokain (1.340 Gramm Reinsubstanz), 1.000 Gramm Amphetamin (11,90 Gramm Reinsubstanz) und 24 Kilogramm Cannabiskraut (480 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC) verkaufte (aa) sowie am 14. Juli 2010 durch Übergabe von 18 Gramm Kokain (8,04 Gramm Reinsubstanz) an abgesondert verfolgte Täter mit dem Auftrag, das Suchtgift an einen verdeckten Ermittler zu übergeben (bb);

b) Sandor C***** mit einem abgesondert verfolgten Mittäter am 17. (aa) und am 22. (bb) September 2010 in Graz insgesamt 2.034,60 Gramm Amphetamin (26,76 Gramm Reinsubstanz) jeweils einem verdeckten Ermittler;

2) aus Ungarn aus- und nach Österreich eingeführt, und zwar

a) Sandor C***** „einen nicht mehr genau feststellbaren, die 25 fache Grenzmenge übersteigenden Teil“ der zu A/1/a/aa genannten Suchtgiftmengen;

b) Sandor C***** mit einem abgesondert verfolgten Mittäter am 17. (aa) und am 22. (bb) September 2010 insgesamt 2.134,60 Gramm Amphetamin (33,03 Gramm Reinsubstanz);

c) Adolf S***** und Adolf G***** mit einem abgesondert verfolgten Mittäter „einen nicht mehr feststellbaren Teil“ der zum (bereits rechtskräftigen) Schuldspruch A/1/c genannten Suchtgiftmengen das sind 5.500 Kilogramm Kokain (2.450 Gramm Reinsubstanz), 23 Kilogramm Cannabiskraut (460 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC), 120.000 Stück Ecstasy-Tabletten (mit einer nicht festgestellten Menge der Reinsubstanz MDMA) und 1.000 Gramm Amphetamin (11,90 Gramm Reinsubstanz) „welcher die Grenzmenge jedenfalls deutlich überschritt“;

(C) „Monika H***** dadurch zu einigen der unter“ (dem bereits rechtskräftigen Schuldspruch) A/1/c „genannten strafbaren Handlungen“ (dem Überlassen der dort angeführten Suchtgifte durch Adolf S***** und Adolf G*****) „hinsichtlich einer die Grenzmenge deutlich, jedoch nicht das 25 fache der Grenzmenge übersteigenden Menge an Suchtgift beigetragen, dass sie die genannten Drogen aus einem Zimmer im Nachtlokal in N*****, in welchem sie verwahrt waren, holte und dem Adolf S***** brachte, sowie dem Genannten die Waage für das Einwiegen der zum Verkauf bestimmten Drogen brachte“.

Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Adolf S***** und Adolf G*****, wobei sich erstere auf Z 3, 9 lit a und 11, letztere auf Z 5 und 10 jeweils des § 281 Abs 1 StPO stützt.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Adolf S***** ist aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund im Recht. Zutreffend zeigt die Verfahrensrüge (Z 3) auf, dass Mario L***** als Zeuge vernommen wurde, ohne zuvor (in diesem Sinn informiert worden zu sein und) auf seine Befreiung von der Aussagepflicht nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO zu verzichten (ON 124 S 17 f); seine im ersten Rechtsgang abgegebene Erklärung ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ( Kirchbacher , WK-StPO § 159 Rz 21). Dem Rechtsmittelvorbringen zuwider handelt es sich beim Beschwerdeführer als ehemaligem Lebensgefährten der Schwester dieses Zeugen zwar nicht um einen Angehörigen desselben (vgl § 72 Abs 2 StGB); diesem stand das Recht auf Aussagebefreiung allerdings in Ansehung der Angeklagten Monika H*****, seiner Schwester, zu. Da dieser sonstiger Beitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zum Inverkehrsetzen von Suchtgift durch Adolf S***** und Adolf G***** zur Last liegt (vgl Schuldspruch C), ist eine Trennung der Aussagen des genannten Zeugen, der auch Angaben zur Anlieferung von Suchtgift in die Wohnung der Monika H***** in Ungarn durch Sandor C*****, gemeinsame Fahrten mit dem Beschwerdeführer von Ungarn nach Österreich und Aufenthalte in dessen Bar in N***** machte (ON 124 S 18 iVm ON 94 S 4 ff), hinsichtlich der übrigen, nicht im Angehörigenverhältnis stehenden, Angeklagten nicht möglich (§ 156 Abs 3 erster Satz StPO; Kirchbacher , WK-StPO § 156 Rz 19). Unter dem Aspekt der Relativität dieses Verfahrensmangels (§ 281 Abs 3 StPO) ist ein Nachteil für den Beschwerdeführer nicht auszuschließen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 79 f, 734 und 740 f; vgl übrigens auch US 14, wonach das Erstgericht seine dem Beschwerdeführer nachteiligen Feststellungen ausdrücklich auch auf die Aussage dieses Zeugen gestützt hat).

Der aufgezeigte Verfahrensmangel zwingt demnach zur Aufhebung des den Beschwerdeführer betreffenden Schuldspruchs, demgemäß auch des darauf beruhenden Strafausspruchs. Eine weitere Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich somit. Mit seiner Berufung war der Beschwerdeführer auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefasste, von der Rechtskraft des Urteils abhängige Beschluss war zugleich mit dem Adolf S***** betreffenden Strafausspruch aufzuheben (RIS-Justiz RS0101886).

Aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO), dass dieselben Gründe, auf denen die Verfügung zu Gunsten des Angeklagten Adolf S***** beruht, auch den übrigen Angeklagten zustatten kommen, die teils diesen Verfahrensmangel in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht geltend gemacht, teils kein Rechtsmittel ergriffen haben ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 11). Daraus folgt die Aufhebung des gesamten (restlichen) Urteils, worauf der Angeklagte Adolf G***** mit seinen Rechtsmitteln zu verweisen war.

Bleibt zur Vermeidung weiterer Fehler im nunmehr notwendig gewordenen dritten Rechtsgang anzumerken:

1. Bereits rechtskräftig gewordene Schuldsprüche (samt diesen zu Grunde liegende Feststellungen) sind wie eingangs erwähnt in einem weiteren Urteil nicht zu wiederholen. Gegenstand des Verfahrens sind nur mehr die rechtliche Unterstellung des von den Schuldsprüchen A/1/a und b sowie A/2/a und b (vgl Anklagepunkte A/I/1 und 2 sowie A/II/1 und 3) erfassten Verhaltens (auch) unter § 28a Abs 4 Z 3 SMG sowie die zu den Schuldsprüchen A/2/c und C (Anklagepunkte A/II/4 und C) angelasteten Vorwürfe zur Gänze (13 Os 132/11b).

2. Hinsichtlich Monika H***** bleiben die Konstatierungen, sie habe Beitragshandlungen zum Überlassen von Suchtgift in Bezug auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge geleistet, abermals ohne ausreichenden Sachverhaltsbezug. Das Einfügen weniger Wörter („mehrmals“ und „zwei- bis dreimal“) in die ansonsten unverändert aus dem Urteil des ersten Rechtsgangs übernommenen Feststellungen (US 12) erlaubt keine verlässliche Überprüfung der darauf basierenden rechtlichen Annahme (vgl dazu bereits 13 Os 132/11b). Da der Schuldspruch dieser Angeklagten die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG nicht umfasst, sind die Erwägungen (im Rahmen der Beweiswürdigung), wonach ihr Vorsatz auf einen Beitrag zum Inverkehrsetzen eines das 25 fache der Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquantums gerichtet gewesen sei (US 21), im Übrigen unverständlich.

3. Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs von Adolf S***** und Adolf G***** wegen § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall (und Abs 2 Z 2) SMG wird das Erstgericht Augenmerk auf eindeutige Feststellungen zur aus- und eingeführten Suchtgiftmenge (bezogen auf die Reinsubstanz) zu legen haben. Das angefochtene Urteil lässt die für den Schuldspruch A/2/c erforderliche Sachverhaltsgrundlage nämlich nur bei vernetzter Betrachtung der gesamten Entscheidungsgründe (US 11 iVm US 18) mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit erkennen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).

4. Weiters verstößt die erschwerende Wertung des bereits die Strafdrohung bestimmenden (vgl den Schuldspruch A/1/a und b wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG) Umstands, „dass Suchtgift in einer übergroßen Menge in Verkehr gesetzt wurde“ (US 22), bei Sandor C***** gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB).

5. Schließlich wird hinsichtlich Adolf S***** wie das Erstgericht erst nach Urteilsfällung erkannte (vgl ON 1 S 37) gemäß § 31 StGB auf das mittlerweile rechtskräftige Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 12. Mai 2011, AZ 8 Hv 32/11x, Bedacht zu nehmen sein.

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