JudikaturOGH

14Os76/12a – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richters Mag. Falmbigl als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Roland K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 1. März 2012, GZ 35 Hv 18/12i 21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Landesgericht St. Pölten den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Roland K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ab. Letzterem lag der Verdacht zugrunde, Roland K***** habe im Dezember 2011 in S***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich auf einer chronisch paranoiden Psychose beruht, Elfriede K***** und Ludwig K***** mit dem Umbringen, sohin gefährlich mit dem Tod bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB begangen.

Dagegen richtet sich die aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

Ein Urteil ist nur dann aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall), wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 467). Mit ihrem Verweis auf einen von den Opfern erwähnten weiteren Vorfall vom 28. Dezember 2011 zeigt die Kritik an der Feststellung, wonach es nach dem gegenständlichen Geschehen in den ersten beiden Dezemberwochen 2011 zu keinen weiteren Tätlichkeiten gekommen ist, weder eine auf unrichtigem oder unvollständigem Referat von Aussagen basierende Aktenwidrigkeit im oben beschriebenen Sinn auf, noch berührt sie eine entscheidende Tatsache. Entscheidend ist eine Tatsache nämlich nur dann, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens in den Entscheidungsgründen entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld oder Freispruch oder darüber beeinflusst, welche strafbare Handlung begründet wird ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 399). Der im Rechtsmittel angesprochene Vorfall vom 28. Dezember 2011, der mit leichten Verletzungen der Eltern des Betroffenen einhergegangen sein soll, war aber vom Unterbringungsantrag wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB nicht umfasst.

Im Übrigen ist dem Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) behauptenden Vorbringen zuwider aus dem Gesamtzusammenhang auch klar erkennbar (US 3 f und 7), dass sich die Urteilsannahme, wonach es nach der gegenüber den Eltern getätigten Äußerung des Betroffenen zu keinen Tätlichkeiten gekommen ist, auf den Tag des Vorfalls in den ersten beiden Dezemberwochen 2011 bezieht.

Mit dem gesteigerten Aggressionspotential des Betroffenen gegenüber seinen Eltern nach dem Vorfall in den ersten Dezemberwochen haben sich die Tatrichter der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider auseinandergesetzt (US 7) und waren im Sinn des Gebots zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gehalten, sich explizit mit (leichten) Verletzungsfolgen, die von einem späteren Vorfall herrühren sollten, zu befassen.

Entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) wurden in den Entscheidungsgründen auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. J***** zum Verhältnis des Betroffenen zu seinen Eltern berücksichtigt (US 6). Indem die Nichtigkeitswerberin isolierte Passagen dieses Gutachtens (ON 20 S 12 f) herausgreift und daraus für die Beurteilung der subjektiven Tatseite andere Schlüsse als die Tatrichter zieht, bekämpft sie bloß unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung.

Eine nähere Auseinandersetzung (Z 5 zweiter Fall) mit der Vorstrafe des Betroffenen (wegen §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4; 269 Abs 1 erster Fall StGB) war schon deshalb nicht erforderlich, weil die hier für die mit Bezug auf eine ausreichend schwere Anlasstat im Sinn des § 21 Abs 1 StGB allein entscheidende Frage, ob der Betroffene seinen Eltern begründete Besorgnis dahingehend einflößen wollte, dass er sie (sogar) töten werde, unerheblich ist. Im Übrigen haben die Tatrichter die Äußerung des Betroffenen, er werde seine Eltern „umbringen“, ohnehin aus den Rahmenumständen unter Berücksichtigung seiner psychischen Erkrankung beurteilt und kamen zu dem Schluss, dass eine Absicht, diese (gerade) mit dem Tod zu bedrohen, nicht mit ausreichender Sicherheit auszumachen war (US 2 f, 5 ff).

Indem die Mängelrüge eine unzureichende Berücksichtigung (Z 5 zweiter Fall) des in der Beweiswürdigung ohnehin mitbedachten (US 7) Vorfalls vom 28. Dezember 2011 für die Beurteilung der inneren Tatseite und der (eine Rechtsfrage darstellenden; vgl RIS-Justiz RS0092160 und RS0092448) „Besorgniseignung“ moniert und daraus für den Standpunkt der Anklage günstigere Feststellungen anstrebt, bekämpft sie einmal mehr unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Dies gilt auch für die Kritik an den Überlegungen des Schöffensenats zur subjektiven Tatseite, zumal dieser die fehlende Verwendung einer Waffe oder eines ähnlichen Gegenstands bloß zum Anlass nahm, sich besonders sorgfältig mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Angeklagte mit seiner Äußerung tatsächlich das Ziel verfolgte, seine Eltern in Furcht und Unruhe gerade dahin zu versetzen, dass er willens und fähig sei, sie zu töten (US 6 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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