JudikaturOGH

15Os56/12t – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, Dr. Bachner Foregger, Dr. Oshidari und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Marvan als Schriftführer in der Medienrechtssache des Antragstellers Christian R***** gegen die Antragsgegnerin S*****gesellschaft mbH wegen § 7a MedienG, AZ 91 Hv 75/06z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der S*****gesellschaft mbH auf Erneuerung des (Berufungs )Verfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird stattgegeben.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Februar 2007, AZ 17 Bs 312/06s, wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung über die Berufung des Antragstellers Christian R***** an das genannte Gericht verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Juli 2006, GZ 91 Hv 75/06z 5, wurde der Antrag des Antragstellers Christian R***** auf Zuerkennung einer Entschädigung nach § 7a Abs 1 MedienG abgewiesen.

Der dagegen gerichteten Berufung des Antragstellers gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 14. Februar 2007, AZ 17 Bs 312/06s, Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verpflichtete die Antragsgegnerin S*****gesellschaft mbH nach § 7a Abs 1 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung von 5.000 Euro, weil durch die auf Seite 15 der Ausgabe der Tageszeitung „D*****“ vom 4. April 2006 unter der Überschrift „In H***** ermittelt jetzt auch die Justiz“ erfolgte Veröffentlichung, in der der Name des Antragstellers Christian R***** als einer gerichtlich strafbaren Handlung Verdächtiger im Zusammenhang mit Spekulationsverlusten der H***** genannt wurde, Angaben über die Identität des Antragstellers veröffentlicht wurden, die geeignet seien, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden seiner Identität zu führen, wodurch seine schutzwürdigen Interessen verletzt worden wären, ohne dass wegen seiner Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden habe.

Rechtliche Beurteilung

Mit Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U 10. Jänner 2012, S*****gesellschaft mbH gegen Österreich , Nr 34702/07) wurde festgestellt, dass durch die angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK erfolgt ist. Der EGMR sprach aus, dass, auch wenn Christian R***** keine Person öffentlichen Interesses gewesen sei, der gegenständliche Artikel, der über einen Bankskandal mit enormen Verlusten der Bank bei 45%iger Beteiligung des Landes Kärnten und die politischen Dimensionen und Verflechtungen in diesem Zusammenhang berichtete, nur schwer ohne Erwähnung der Namen und der persönlichen Beziehungen der Beteiligten auskommen konnte. Vor dem Hintergrund, dass der Zeitungsartikel sich mit den Verflechtungen zwischen Politik und Banken beschäftigte und über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft berichtete, betonte der EGMR, gemäß Art 10 Abs 2 MRK bestehe nur ein kleiner Spielraum für Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Zusammenhang mit Fragen von öffentlichem Interesse.

Da nicht auszuschließen ist, dass die mit Erkenntnis des EGMR festgestellte Grundrechtsverletzung einen für die Antragsgegnerin (der die Rechte eines Angeklagten zukommen) nachteiligen Einfluss auf den Inhalt der gegenständlichen strafgerichtlichen Entscheidung des Oberlandesgerichts ausüben konnte, ein solcher vielmehr naheliegt, war dem Antrag der S*****gesellschaft mbH auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) stattzugeben. Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Februar 2007, AZ 17 Bs 312/06s, war bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung über die Berufung des Christian R***** an das genannte Gericht zu verweisen (§ 363b Abs 3 StPO).

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