12Os48/12v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Fathi K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Fathi K***** und die Berufung des Angeklagten Mohamed H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Jänner 2012, GZ 36 Hv 199/11h 78, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Fathi K***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 14. Oktober 2011 in I***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mohamed H***** als Mittäter Dietmar R***** zu Boden gerissen, geschlagen und getreten (wodurch dieser leichte Verletzungen erlitt), somit mit Gewalt diesem Bargeld in unbekannter Höhe und ein Mobiltelefon mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei Fathi K***** bei der Tat eine Waffe verwendete, indem er R***** mit einer abgebrochenen Bierflasche zu schlagen versuchte.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diesen Schuldspruch von Fathi K***** aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Die Tatrichter haben der Feststellung, der Angeklagte K***** habe Dietmar R***** mit einer abgebrochenen Bierflasche bedroht und mit dieser einen Schlag gegen ihn geführt, aus Versehen aber seinen Mittäter H***** getroffen und diesen im Bereich des Ohres verletzt (US 5), unter anderem die entsprechenden, angesichts der übrigen Beweisergebnisse als glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin Gabriele C***** vor der Polizei (ON 6 S 125) zu Grunde gelegt und dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider auch ihre ursprüngliche, in der Folge ausdrücklich widerrufene, die Angeklagten zur Gänze entlastende Aussage (ON 6 S 115 f) und ihre Depositionen in der Hauptverhandlung, sich nur mehr vage an einen Vorfall mit einer Flasche erinnern zu können (ON 63 S 45), ausdrücklich in ihre Erwägungen miteinbezogen (US 13 f).
Ebenso fanden die Verantwortung des Zweitangeklagten Rachid R*****, der Drittangeklagte H***** habe ihm erzählt, dass der Erstangeklagte K***** ihn mit einer Flasche getroffen habe (US 8; vgl auch ON 6 S 197), und die Tatsache, dass in der Kapuzenjacke des H***** (und nicht, wie die Rüge behauptet, in dessen Jackentasche) Glasscherben der Bierflasche gefunden wurden (US 15), im Urteil Berücksichtigung.
Die Einlassung der Angeklagten K***** und H*****, die Verletzung H*****s sei erst nach dem Vorfall mit Dietmar R***** erfolgt, hat das Schöffengericht entgegen dem in der Beschwerde erhobenen Vorwurf stillschweigenden Übergehens als unglaubwürdig verworfen (US 15). Rachid R***** gab in der Hauptverhandlung demgegenüber an, nichts von einer Verletzung am Ohr H*****s zu wissen (ON 63 S 39, vgl auch ON 6 S 181, 185).
Dass der Zeuge Manuel B***** wie die Rüge aktenfremd vermeint bei keinem der Angeklagten eine Verletzung wahrgenommen habe (in der Hauptverhandlung spricht er lediglich davon, an ihnen kein Blut gesehen zu haben [ON 77 S 5]), schließt in Anbetracht seiner weiteren Aussage, nicht näher zu ihnen hingegangen zu sein, keineswegs aus, dass H***** eine solche bereits erlitten hatte. Die Angaben dieses Zeugen waren daher nicht gesondert erörterungsbedürftig.
Die Tatrichter legten eingehend dar, welchen Teilen der Verantwortung der Mitangeklagten und der Aussagen der Zeugen C***** und R***** sie Glauben schenkten und welchen nicht (US 10 bis 19). Der aus der solcherart unzutreffenden Behauptung, das Erstgericht habe dieselben Aussagen für wahr und für falsch gehalten, abgeleitete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen liegt somit nicht vor.
Der Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) stellt nicht dar, welche konkreten Beweisergebnisse zu einem angeblich vor der Tat angebahnten Suchtgiftgeschäft der Annahme eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes des Beschwerdeführers entgegenstehen sollten, um solcherart als erhebliche Tatsachen (zu diesem Begriff Ratz , WK StPO § 281 Rz 409 ff) zu berücksichtigen gewesen wären. Er bringt daher einen Begründungsmangel nicht zur Darstellung.
Wie bereits ausgeführt, haben die erkennenden Richter eingehend begründet, welche Verfahrensergebnisse sie als glaubwürdig erachteten und ihren Konstatierungen zu Grunde legten und welche nicht (US 10 bis 19). Der urteilsfremde Einwand, aufgrund der widersprüchlichen Aussagen aller am Vorfall Beteiligten könne der Tathergang nicht rekonstruiert werden, sodass sich die erstgerichtliche Begründung, der auf unrechtmäßige Bereicherung und auf Gewaltanwendung zur Überwindung der zu erwartenden Gegenwehr des Tatopfers gerichtete Vorsatz ergebe sich aus dem Geschehnisablauf, als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) erweise, nimmt somit nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe und verfehlt damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz , WK StPO § 281 Rz 394, 455).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Mit dem Hinweis auf zum Teil prozessordnungswidrig ohne Fundstelle genannte (RIS-Justiz RS0124172) Aussagen zu einem angeblichen Suchtgiftgeschäft, die Angaben des Zeugen B*****, keine Verletzung „an dem Angeklagten“ wahrgenommen zu haben, die ungeklärt gebliebene, jedoch unerhebliche Frage, ob Dietmar R***** und Gabriele C***** einander schon zuvor gekannt hatten, die vom Erstgericht ohnedies berücksichtige Aussage des Zeugen B*****, es habe bei seinem Eintreffen keine aggressive Stimmung geherrscht (US 16) und die Verantwortung der Angeklagten dazu, wie das Mobiltelefon in den Besitz des Nichtigkeitswerbers gelangte, zur Wegnahme der Geldbörse des Tatopfers sowie zur Entstehung der von der Polizei festgestellten Verletzung des Angeklagten H***** werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt.
Die Tatsachenrüge als Aufklärungsrüge vermeint, das Erstgericht „hätte eine Untersuchung der Flasche auf Fingerabdrücke ohne weiteres anordnen können“, während dem Beschwerdeführer ein diesbezüglicher Beweisantrag nicht möglich gewesen sei, weil er mit der vorgenommenen Tatsachenfeststellung nicht habe rechnen können. Sie bringt damit jedoch nicht nachvollziehbar zur Darstellung, wodurch der anwaltlich vertretene Nichtigkeitswerber trotz des konkreten Anklagevorwurfs, die abgebrochene Bierflasche gegen das Tatopfer eingesetzt zu haben (Anklageschrift ON 39 S 4), an einer sachgerechten Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0115823, RS0114036; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 480).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten K***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.