JudikaturOGH

3Ob98/12a – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die verpflichtete Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer Frauenberger Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (65.000 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. März 2012, GZ 47 R 93/12t, 47 R 94/12i 15, womit infolge Rekurses beider Parteien der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 1. Februar 2012, GZ 68 E 179/12a 6, abgeändert und infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. Februar 2012, GZ 68 E 179/12a 7, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird dahin Folge gegeben, dass die Beschlüsse des Erstgerichts vom 1. Februar 2012, GZ 68 E 179/12a 6, und vom 2. Februar 2012, GZ 68 E 179/12a 7, wiederhergestellt werden.

Der betreibenden Partei werden für ihren Revisionsrekurs 2.522 EUR (darin 339,80 EUR USt und 483 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Das rechtskräftige und vollstreckbare Titelurteil vom 29. Oktober 2010 enthält folgenden Punkt 1.:

„Die Beklagte ist schuldig, es bei Herausgabe, Verlag oder Vertrieb periodischer Druckwerke, insbesondere der Tageszeitung ***** zu unterlassen, in öffentlichen Ankündigungen, insbesondere im Impressum der Tageszeitung ***** Abonnementpreise, insbesondere günstige Tarifvarianten, insofern unzutreffend bzw irreführend unvollständig anzugeben, als

das betreffende Produkt im beschriebenen Leistungsumfang, insbesondere ein Jahresabonnement der Tageszeitung ***** ohne wöchentliche Magazin-Beilagen nicht oder nur unter intransparenten Umständen erhältlich ist, insbesondere weder andernorts beworben noch initiativ oder nur über gezielte Anfrage von Interessenten angeboten wird

und/oder Abonnements tatsächlich nicht in einer der Produkt- bzw. Tarifbezeichnung, insbesondere als 'Normal-Abo' entsprechenden Weise oder in einem dementsprechenden Ausmaß angeboten bzw. gewährt werden und im Kontext derartiger Angaben nicht hinreichend deutlich über die Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Preise aufgeklärt wird.“

Am 16. Jänner 2012 beantragte die betreibende Partei die Bewilligung der Unterlassungsexekution unter Verhängung einer Geldstrafe (ON 1), weil in der von der verpflichteten Partei herausgegebenen Tageszeitung seit 1. Juli 2011 täglich mit Ausnahme einiger weniger konkret genannter Tage im Impressum folgende Abo-Varianten angekündigt würden:

„Abo (Mo Fr) Euro 17,90 monatlich, Euro 214,80 jährlich; Abo (Sa) Euro 4,90 monatlich, Euro 58,80 jährlich; Kombi Abo (Mo Sa) Euro 19,90 monatlich, Euro 238,80 jährlich“

Bei dem als „Kombi Abo“ ausgewiesenen Abonnement handle es sich um das Normal-Abo der Zeitung. Auf der Website www.*****, auf der behauptetermaßen alle verfügbaren Angebote präsentiert werden sollten, werde neben diversen Sonderaktionen nur ein reguläres „Standard Abo“ angeboten, das dem „Kombi-Abo“ im Impressum entspreche. Die anderen im Impressum angekündigten Abo Varianten würden andernorts nirgendwo beworben oder angeboten. Das Samstag-Abo werde auf gezielte Nachfrage angeboten; das Montag bis Freitag-Abo existiere offenbar überhaupt nicht.

Am 17. Jänner 2012 brachte die betreibende Partei einen weiteren Strafantrag (ON 3) ein, weil auch in der Ausgabe vom 17. Jänner 2012 die oben angegebenen Abopreise veröffentlicht seien.

Das Erstgericht bewilligte antragsgemäß die Exekution und verhängte über die verpflichtete Partei eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 EUR (ON 6) sowie aufgrund des Strafantrags vom 17. Jänner 2012 eine weitere Geldstrafe in Höhe von 20.000 EUR (ON 7). Die betreibende Partei habe konkret und schlüssig behauptet, dass die verpflichtete Partei an konkreten Zeitpunkten gegen den Unterhaltstitel verstoßen habe.

Infolge Rekurses der verpflichteten Partei änderte das Rekursgericht die Beschlüsse des Erstgerichts im antragabweisenden Sinn ab (die betreibende Partei wurde mit ihrem Rekurs gegen die Strafhöhe auf diese Entscheidung verwiesen). Die Antragsbehauptungen genügten den Anforderungen der Rechtsprechung an die Konkretisierung von Titelverstößen nicht. Die behaupteten Angaben im Impressum seien nicht per se titelwidrig. Die betreibende Partei habe nicht die erforderlichen Behauptungen aufgestellt, an welchen Tagen welche Interessenten telefonisch mit der Abo-Hotline Kontakt aufgenommen und die behaupteten Auskünfte erhalten hätten bzw an welchen Tagen die im Impressum aufscheinenden günstigen Abo-Varianten im Internet nicht angeboten worden seien. Der Revisionsrekurs sei im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass über die verpflichtete Partei Geldstrafen in angemessener Höhe verhängt werden.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht überhöhte Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis bei einem Exekutionsantrag nach § 355 EO gestellt hat; er ist auch im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidungen berechtigt.

Das Vorbringen im Revisionsrekurs lässt sich dahin zusammenfassen, dass die betreibende Partei sowohl den Zeitraum des Zuwiderhandelns als auch die inkriminierten Verstöße mit ausreichender Deutlichkeit bezeichnet habe. Das Nichtanbieten der angekündigten Abo Varianten sei ausschließlich der Sphäre der verpflichteten Partei zuzurechnen, weshalb eine nähere Spezifizierung des Zuwiderhandelns (im Hinblick auf die konkreten Zeitpunkte des Nicht-Anbietens der Abos) nicht erforderlich gewesen sei. Sowohl dem Exekutionsantrag als auch dem Strafantrag sei die Behauptung zu entnehmen, dass die angekündigten Abo Varianten zu keinem Zeitpunkt auf der Website angeboten worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1. Im Exekutionsantrag nach § 355 EO muss das Zuwiderhandeln gegen den Titel schlüssig und konkretisiert behauptet werden, denn nur auf diese Weise ist die verpflichtete Partei in der Lage, Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben zu können (RIS Justiz RS0000709).

2. Eine konkrete und schlüssige Behauptung erfordert in der Regel nähere Angaben über Zeit, Ort und Art (Beschaffenheit) des Zuwiderhandelns (RIS Justiz RS0000709 [T14]), etwa indem einzelne konkrete Titelverstöße herausgegriffen werden. Zumindest muss ein konkreter Verstoß gegen das Unterlassungsgebot angeführt werden, um prüfen zu können, ob das Unterlassungsgebot verletzt oder eingehalten wurde (RIS Justiz RS0000709 [T11]).

3. Kurz zusammengefasst verbietet der Exekutionstitel im hier maßgeblichen Umfang die insofern unzutreffende bzw irreführend unvollständige Angabe von Abo-Preisen im Impressum (insbesondere von günstigen Tarifvarianten), als das betreffende Produkt weder andernorts beworben noch initiativ oder nur über gezielte Anfrage von Interessenten angeboten wird.

4. Die betreibende Partei hat im Exekutionsantrag konkrete Zeitpunkte angeführt, zu denen die verpflichtete Partei im Impressum die eingangs genannten Angaben machte, und zwar täglich seit 1. Juli 2011 außer an bestimmten Tagen (insgesamt 154 mal). Gleichzeitig hat die betreibende Partei ausgeführt, dass zwei der drei im Impressum genannten Abonnement-Kategorien nicht oder nur unter intransparenten Umständen erhältlich gewesen seien, und zwar generell, daher auch nicht zu den von der beklagten Partei konkret angegebenen Zeiten über das Aufscheinen der Angaben im Impressum. Es ist nicht notwendig, dass darüber hinausgehend im Exekutionsantrag und im Strafantrag angeführt wird, dass beispielsweise Interessenten mit der Abo-Hotline Kontakt aufgenommen hätten oder dass an jedem der einzelnen Tage (und nicht nur „generell“) die günstigen Abo Varianten nicht auf der Website angeboten worden seien.

5. Im Gegensatz zur Ansicht des Rekursgerichts sind daher die Titelverstöße im Exekutionsantrag und im Strafantrag der Art nach und auch zeitlich ausreichend definiert, sodass die verpflichtete Partei in die Lage versetzt ist, Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben zu können.

6. Die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Exekutionsbewilligung erfordert ein Eingehen auf die Strafhöhe. Das Erstgericht hat die Strafe mit jeweils 20.000 EUR festgesetzt; gegen die Strafhöhe haben beide Parteien Rekurs erhoben. Trotz der im Exekutionsantrag behaupteten 154 Titelverstöße ist es angesichts der nur untergeordneten Aufmerksamkeit der der verpflichteten Partei vorgeworfenen Ankündigungen im Impressum gerechtfertigt, die Strafe in der Exekutionsbewilligung im unteren Bereich des gesetzlichen Rahmens, der bis zu 100.000 EUR reicht, festzusetzen. Gleiches gilt für die Straffestsetzung aufgrund des im Strafantrag ON 3 behaupteten (einzelnen) weiteren Verstoßes. Hier fällt die Wiederholung des Titelverstoßes erschwerend ins Gewicht.

7. Der betreibenden Partei waren die Kosten für ihre erfolgreichen Rekurse zuzusprechen.

Rückverweise