14Os47/12m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schöfmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johannes G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9. Februar 2012, GZ 15 Hv 177/11m 21, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johannes G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (1) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.
Danach hat er in der Nacht zum 24. September 2011 in Graz Esther B*****
1. mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, indem er ihr die Hose vom Körper riss und äußerte: „Wenn dich andere ficken, dann ficke ich dich jetzt auch!“, wobei es aufgrund Eintreffens der von Nachbarn verständigten Polizei beim Versuch blieb;
2. mit Gewalt zur Abstandnahme vom Verlassen seiner Wohnung genötigt, indem er ihr mit der Hand und einem zerbrochenen Lattenrost zahlreiche Schläge gegen ihren Körper versetzte;
3. durch die zu Punkt 2 geschilderten Tathandlungen, die einen Nasenbeinbruch ohne Verschiebung der Bruchstellen, Blutergüsse an der Nase, am linken Oberarm, an der linken Gesäßhälfte und am rechten Oberschenkel, eine Brustkorbprellung links und Kratzspuren in der Gesäßregion nach sich zogen, vorsätzlich am Körper verletzt.
Rechtliche Beurteilung
Die aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene, ausdrücklich bloß gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (1) gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Die Tatrichter legten in umfassender Beweiswürdigung dar, aus welchen Gründen sie die insoweit leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers als widerlegt erachteten (US 7 ff). Zu einer darüber hinausgehenden Erörterung sämtlicher in der Beschwerde zudem ohne Angabe der Fundstelle in den Akten zitierten (vgl RIS-Justiz RS0124172) Details seiner Verantwortung waren sie unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mit Blick auf das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 428).
Mit der in diesem Zusammenhang erhobenen Kritik an der Begründung für die Überzeugung des Erstgerichts von der Unglaubwürdigkeit des Angeklagten spricht die Mängelrüge keine entscheidende Tatsache an. Es handelt sich vielmehr um beweiswürdigende Erwägungen, die wenn wie hier nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) nur Gegenstand einer gegen kollegialgerichtliche Entscheidungen unzulässigen Schuldberufung sein könnten (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 431; RIS-Justiz RS0106588).
Soweit „hilfsweise“ Unzulässigkeit der Verlesung des Protokolls über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Esther B***** mangels Aussageverweigerung durch die Genannte behauptet wird (nominell Z 5 vierter Fall, der Sache nach Z 3; zur Subsidiarität der Mängelrüge gegenüber der Verfahrensrüge vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 66 ff), wird nicht erklärt, aus welchem Grund die anlässlich dieser (in Anwesenheit des Anklägers, des Angeklagten und seines Verteidigers durchgeführten) Befragung nach erfolgter Belehrung nach § 165 Abs 5 StPO abgegebene unmissverständliche Erklärung der Zeugin, „für den Fall der Hauptverhandlung“ nicht noch einmal vor Gericht erscheinen und aussagen zu wollen (§ 156 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StPO; ON 9 S 2 und 12), die Verlesungsvoraussetzung des § 252 Abs 1 Z 2a StPO nicht begründen sollte (vgl RIS-Justiz RS0111315, RS0121344). Ein Antrag, das Tatopfer in der Hauptverhandlung zu vernehmen, der zudem ein Vorbringen dazu vorausgesetzt hätte, dass sich die Zeugin trotz bisheriger berechtigter Aussageverweigerung nunmehr zur Aussage bereit finden werde (RIS-Justiz RS0117928), wurde nicht gestellt.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ignoriert mit ihrem Einwand, die getroffenen Feststellungen seien nicht geeignet, die vorgenommene rechtliche Beurteilung zu tragen, die diesbezüglichen zureichenden Urteilsannahmen und verfehlt damit den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 419; RIS Justiz RS0116504, RS0119370; RS0099810, RS0099671). Welche darüber hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich gewesen wären, sagt sie nicht.
Die Kritik an der Begründung der Feststellung, wonach der Angeklagte den Reißverschluss seiner Hose öffnete (der Sache nach Z 5 vierter Fall), bezieht sich nicht auf entscheidende Tatsachen.
Indem die Rüge aus den Angaben des Tatopfers und der konstatierten Äußerung des Beschwerdeführers: „Wenn dich andere ficken können, dann kann ich das jetzt auch“ (US 9), andere für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, bekämpft sie unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.