JudikaturOGH

15Os51/12g – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Mai 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Mag. Weiß als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus K***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Markus K***** und Anton R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Juli 2011, GZ 34 Hv 33/08b-202, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck übermittelt.

Den Angeklagten Markus K***** und Anton R***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten und Freisprüche (verfehlt auch von der rechtlichen Kategorie; vgl Lendl , WK-StPO § 259 Rz 1) enthält, wurden Markus K***** und Anton R***** jeweils des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie zwischen Anfang Jänner und Juni 2005 in Innsbruck und andernorts im bewussten und gewollten Zusammenwirken auch mit Josef H***** als Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig Angestellte der G***** AG durch Vorlage zahlreicher unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, nämlich der gegenüber Kunden getätigten Behauptungen, für die Vermittlung von Krediten sei der Abschluss einer Lebensversicherung erforderlich, wobei von vornherein nicht geplant war, solche zu vermitteln und die Kunden bei Kenntnis dessen die Lebensversicherungsverträge nicht abgeschlossen hätten, zu Stande gekommener Lebensversicherungsverträge sowie durch Vorlage zahlreicher durch unberechtigte Verwendung von Kundennamen sowie von anderen Personen und Nachmachen deren Unterschrift gefälschter Versicherungsverträge, teilweise unter Verwendung falscher Beweismittel zur Auszahlung von Provisionen in nicht feststellbarem, 50.000 Euro jedenfalls übersteigenden Betrag verleitet, wodurch die G***** AG in einem solchen Betrag geschädigt wurde.

Den Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten Markus K***** und Anton R***** mit Nichtigkeitsbeschwerden, die der Erstangeklagte auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO und der Drittangeklagte auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a und 10 StPO stützt.

Beide schlagen fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten Markus K*****:

Den Behauptungen der Mängelrüge (Z 5 erster und vierter Fall) zuwider bedurfte es in Anbetracht der konstatierten Mittäterschaft der Angeklagten keiner genauen Beschreibung der einzelnen Tathandlungen jedes einzelnen Angeklagten (RIS-Justiz RS0089808. RS0089835). Im Übrigen finden sich die dem Erstangeklagten angelasteten Ausführungshandlungen ohnehin auf US 11 f, 16, 18, 20 ff.

Entgegen der weiteren Kritik hat das Erstgericht empirisch nachvollziehbar und logisch einwandfrei den Eintritt eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens daraus abgeleitet, dass von weit über 200 eingereichten Versicherungsanträgen kein einziger aufrecht blieb (US 15) und der Beschwerdeführer überdies einen Schadenersatzbetrag von 72.600 Euro anerkannt hat (US 33), wobei die vom Rechtsmittelwerber angesprochenen Geldflüsse aus dem Jahr 2004 (vgl den vom Freispruch erfassten Zeitraum September bis 31. Dezember 2004) bei der Schätzung der Schadenshöhe ausdrücklich außer Betracht blieben (US 32).

Der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Konstatierung, es sei kein Vertrag aufrecht geblieben (US 15), und der Begründung des Freispruchs, wonach die Angeklagten erst 2005 mit den Tathandlungen begannen (US 34), liegt nicht vor, weil die erwähnte Feststellung eben den Schuldspruch, somit die 2005 abgeschlossenen Verträge und nicht den Freispruch betrifft.

Indem die gegen die Annahme eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) die Begründung des Erstgerichts (US 32) thematisiert, nicht aber die Feststellung eines diesen Betrag jedenfalls erheblich übersteigenden Schadens (US 15) in ihre Ausführungen einbezieht, entzieht sie sich meritorischer Erwiderung. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat nämlich das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Drittangeklagten Anton R*****:

Das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ist dann nichtig aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO, wenn es die Tat nicht hinreichend individualisiert oder die ihm - in Bezug auf die rechtsrichtige Subsumtion - zukommende Ordnungsfunktion nicht erfüllt ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 285 bis 288).

Der Einwand der Verfahrensrüge, der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO lasse durch den Satzteil „... in einem Betrag von zumindest 50.000 Euro geschädigt ...“ das Überschreiten der Wertgrenze nicht erkennen, orientiert sich somit nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, weil die Schadensendsumme eines „50.000 Euro jedenfalls übersteigenden“ Betrags ohnedies angeführt wurde (US 2, siehe aber auch US 15, 33).

Der Kritik der Mängelrüge (Z 5 erster und zweiter Fall) zuwider, die Begründung der Schadenshöhe sei undeutlich, betrifft das genaue Ausmaß des die Qualifikationsgrenze jedenfalls übersteigenden Gesamtschadens keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0116586 [T3]). Der weitere Einwand eines Fehlens der Beachtung des auch Rückflüsse an die G***** AG enthaltenden Sachverständigengutachtens geht ebenso fehl, weil die Leistungen von Versicherungsprämien bei der Schadensberechnung ohnehin berücksichtigt wurden (US 32).

Die Erwägung des Erstgerichts, der Gesamtschadensbetrag übersteige unter anderem deshalb 50.000 Euro, weil der Erstangeklagte einen deutlich höheren Betrag anerkannt habe, entspricht - den weiteren Ausführungen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider - einer mit den Denkgesetzen in Einklang stehenden Begründung, wobei die beschriebene histrionische Persönlichkeitsstörung des Erstangeklagten und die depressiven Episoden (US 17) in diesem Zusammenhang nicht zu betrachten waren, weil derartige Merkmale das Anerkennen nicht bestehender Forderungen nicht indizierten.

Das Geständnis des Zweitangeklagten Josef H***** wurde vom Erstgericht berücksichtigt (US 19), wobei nicht entscheidungswesentlich ist, seit wann dieser und der Drittangeklagte einander kannten. Ebenso wenig eine entscheidende Tatsache betrifft die Frage, welcher Angeklagte in welchem Ausmaß am kriminellen Erlös partizipiert hat, sodass die Äußerung des Sachverständigen, der Restbetrag der Provisionen in Höhe von 98.077,06 Euro sei den anderen Angeklagten zuzuordnen, nicht eigens erörtert werden musste. Auch der auf die Ausführung, der Nichtigkeitswerber habe im Frühjahr 2005 seine Geliebte in der Firma angestellt (US 13) Bezug nehmende Einwand, zu diesem Zeitpunkt sei die Beziehung bereits beendet gewesen, betrifft keine entscheidende Tatsache.

Die übrigen Ausführungen der Mängelrüge wiederholen vorwiegend die Verantwortung des Beschwerdeführers und unterziehen die Ergebnisse des Beweisverfahrens einer eigenständigen Würdigung. Das Erstgericht hat sich - der erhobenen Kritik zuwider - sehr ausführlich mit der Einlassung des Drittangeklagten auseinandergesetzt, wobei es - dem durch § 281 Abs 1 Z 5 StPO abgesicherten Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 1 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten war, auf jedes Aussagedetail einzugehen (RIS-Justiz RS0106642; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 428). Im Übrigen wurde auch der zum Austritt aus den Unternehmen führende Streit (US 28) ebenso berücksichtigt wie die Angaben der Zeugen Armin S***** (US 27), Otto Ku***** (US 31) und Christian P***** (US 31).

Der Umstand, dass ausschließlich der Erstangeklagte finanzielle Verfügungen getroffen hat, musste in Anbetracht der festgestellten Mittäterschaft nicht näher betrachtet werden, zumal dieser zur Geschäftsführung befugt war. Mit Spekulationen, dass ein bestimmtes Telefongespräch bereits früher stattgefunden haben könnte, wird kein Begründungsdefizit aufgezeigt, sondern lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts kritisiert.

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht eröffnet.

Die Ausführungen zur Tatsachenrüge beschränken sich aber - überdies ohne Bezugnahme auf Fundstellen in den Akten (RIS-Justiz RS0124172) - auf die Behauptung, der Schuldspruch des Drittangeklagten beruhe bloß auf den von der Beschwerde als unglaubwürdig bezeichneten Angaben des Erstangeklagten, und verfehlen solcherart den Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes, zumal überdies das Schöffengericht den Schuldspruch gerade nicht auf diese, sondern auf die Angaben des Zweitangeklagten, der Zeugin Margit E***** (US 21) und weiterer Zeugen stützte (US 27 ff).

Die eventualiter zur Mängelrüge erhobene Subsumtionsrüge (Z 10), die wie jene die Wertgrenze thematisiert, wird nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil Bezugspunkt einer solchen Rüge nur die Feststellung, nicht jedoch das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis ist (RIS-Justiz RS0115552 [T2]) und sich aus den Konstatierungen unmissverständlich die Überschreitung der Qualifikationsgrenze ergibt (ua US 15).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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