15Os48/12s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Mag. Weiß als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Tomica M***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Jänner 2012, GZ 12 Hv 118/11z 54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tomica M***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 4. August 2011 in Wien unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer psychischen Erkrankung im Sinn einer paranoiden Schizophrenie,
A./ einen Beamten mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern versucht hat, indem er dem sich gemäß § 1 Abs 3 Richtlinien-Verordnung in den Dienst gestellten Exekutivbediensteten Johannes S*****, welcher gemäß § 26 SPG auf die Beilegung von Streitigkeiten hinwirkte, mehrere Stöße versetzte, wodurch dieser zur Seite weichen musste, sowie mit seiner rechten Faust einen gezielten Schlag in dessen Gesicht versetzte und ihm gegenüber äußerte „Ich bring dich um!“,
B./ den Exekutivbediensteten Johannes S*****, somit einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben, durch die zu A./ beschriebene Handlung (zu ergänzen: vorsätzlich am Körper verletzt hat), wodurch dieser einen Bruch des Nasenbeins und Nasenbluten erlitt,
und hiedurch Taten begangen hat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind und die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter und vierter Fall StGB (A./) sowie der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (B./) zuzurechnen gewesen wären.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.
Der von der Mängelrüge behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) in den Erwägungen des Erstgerichts zur Feststellung, wonach dem Betroffenen bewusst war, dass S***** ihm gegenüber als Polizist eine Amtshandlung durchführte, liegt nicht vor, weil zwei Aussagen nur dann widersprüchlich sind, wenn sie nach den Kriterien logischen Denkens oder der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 438 f). Eine solche Diskrepanz zeigt die Beschwerde nicht auf, weil die Tatrichter einerseits - bezogen auf die objektive Tatseite - lediglich das Abstreiten des von ihnen als erwiesen angenommenen Umstands, wonach S***** dem Betroffenen mitteilte, dass er Polizist sei (US 6), durch den Betroffenen mit dessen Erkrankung und verzerrter Wahrnehmung erklärten (US 11), ohne dabei auf den Tatzeitpunkt abzustellen, und andererseits - bezogen auf die subjektive Tatseite - das Wissen des Betroffenen, dass es sich bei S***** um einen Polizisten im Dienst handelte (US 7 f), aus dem Geschehensablauf und den - diesem zugrunde liegenden - Aussagen der Zeugen D*****, P***** und S***** schlossen (US 12).
Der Beschwerde zuwider wurde das konstatierte Wissen des Betroffenen, dass S***** ihm gegenüber als Polizist eine Amtshandlung durchführte, daher auch nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), weil der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wissen und Wollen zulässig und bei leugnender Verantwortung methodisch gar nicht zu ersetzen ist (vgl RIS Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht mit der Behauptung, das Urteil enthalte keine Feststellung darüber, „ob“ der Betroffene trotz verzerrter Wahrnehmungsfähigkeit im Tatzeitpunkt in der Lage war, die Mitteilung, dass S***** Polizist war und als solcher einschritt, richtig zu verstehen und in dessen Vorgehen eine Amtshandlung zu erkennen, die darauf bezogenen Konstatierungen der Tatrichter zur subjektiven Tatseite (US 7 f) und verfehlt so den Bezugspunkt prozessordnungsgemäßer Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (vgl RIS-Justiz RS0099810; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 581, 584).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).