9ObA53/12b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Kutis und Ing. Thomas Bauer als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. P*****, und 2. A*****, beide vertreten durch Dr. Peter Schaden, Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien U***** AG, *****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. A***** Streißnig, *****, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, und 2. H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Roland Schratter, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wegen 1) 33.881,04 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR) zu 22 Cga 42/06w des Erstgerichts und 2) 37.564,46 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR) zu 25 Cga 21/07f des Erstgerichts, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 2012, GZ 6 Ra 75/11p-121, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob den Beklagten im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 9. 5. 2003 grobe Fahrlässigkeit iSd § 334 Abs 1 ASVG vorzuwerfen ist. Die dafür maßgebende Rechtslage (vgl nur RIS Justiz RS0030644; RS0030272 ua) hat das Berufungsgericht zutreffend wiedergegeben. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den zu entscheidenden Sachverhalt ist immer eine Frage des konkreten Einzelfalls, die von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (RIS Justiz RS0026555 ua). Von einer krassen Fehlbeurteilung der zweiten Instanz kann hier aber keine Rede sein.
Die Revisionswerber bauen ihre Argumentation zusammengefasst darauf auf, dass die Unterlassung der Verständigung des Elektrizitätsversorgungsunternehmens von der Durchführung von Holzarbeiten im Bereich der Starkstromleitung von den Vorinstanzen hinsichtlich eines im Nahebereich tätigen weiteren Arbeitnehmers der Zweitbeklagten, eines Harvester Fahrers, als grob fahrlässig anzusehen gewesen sei, sodass dies auch für den tödlich verunglückten Dienstnehmer der Zweitbeklagten gelten müsse, der ebendort Holzschlägerungsarbeiten durchführte. Die Revisionswerber übersehen jedoch, dass der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 334 Abs 3 ASVG den Standpunkt vertritt, dass diese Bestimmung es nicht ausschließt, bei Beurteilung der Frage, ob der Dienstgeber grob fahrlässig gehandelt hat, das Verhalten des Versicherten mitzuberücksichtigen (RIS Justiz RS0085538; 8 ObA 301/98t mwH; Neumayr in Schwimann³ VII § 334 ASVG Rz 38). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Zweitbeklagte hier in keiner Weise damit rechnen musste, dass der verunglückte Dienstnehmer als Mitglied der weiter oben im Wald tätigen Seilbahnpartie einen Baum direkt am Waldrand neben der Stromleitungstraße fällen würde, ohne dass er dazu einen Arbeitsauftrag gehabt hätte, ist nach den Feststellungen jedenfalls vertretbar. Soweit die Revisionswerber im Widerspruch zu den Feststellungen davon ausgehen, dass der verunglückte Dienstnehmer einen Arbeitsauftrag gehabt hätte, Bäume nahe der Starkstromleitung zu fällen, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt. Auf ein allenfalls grob fahrlässiges Verhalten der Zweitbeklagten gegenüber dem ebenfalls im Nahebereich der Starkstromleitung tätigen Harvester Fahrers kommt es hier deshalb nicht an, weil für die Zweitbeklagte nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen überhaupt nicht vorhersehbar war, dass der verunglückte Dienstnehmer entgegen seinem Arbeitsauftrag in unmittelbarer Nähe der Starkstromleitung arbeiten werde, sodass der Zweitbeklagten diesem gegenüber im konkreten Einzelfall keine Sorgfaltsverletzung vorzuwerfen ist (vgl Reischauer in Rummel³ § 1295 Rz 12a). Weder liegt daher die behauptete Nichtigkeit noch Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor.
2. Mit ihren Ausführungen zur behaupteten Eigenschaft des Erstbeklagten als Organisator und Leiter des konkreten Arbeitseinsatzes, zum behaupteten Fehlen einer Belehrung des verunglückten Arbeitnehmers über das Risiko im Zusammenhang mit der Durchführung von Waldarbeiten in der Nähe einer Starkstromleitung, sowie zu dessen Deutschkenntnissen bekämpfen die Revisionswerber in Wahrheit die im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Sie zeigen daher auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb die außerordentliche Revision zurückzuweisen war.