14Os172/11t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schöfmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sasa M***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Oktober 2011, GZ 38 Hv 141/11v 26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die bei Beschlussfassung über die Nichtigkeitsbeschwerde zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine einzige Erfolgsqualifikation (hier eine schwere Körperverletzung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung mit länger als vierundzwanzig Tage dauernder Gesundheitsschädigung) auch im Fall ungleichartiger Realkonkurrenz nur bei einer der als mitursächlich feststehenden Taten angelastet werden darf, ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet worden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sasa M***** mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1), des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger Personen nach § 92 Abs 1 StGB (2) sowie mehrerer Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und Abs 2, 84 Abs 1 erster Fall StGB (3) schuldig erkannt.
Danach hat er soweit hier wesentlich von Ende 2006/Jänner 2007 bis Mai 2009 in G***** und anderen Orten Österreichs Biljana Mi*****
(1) mit Gewalt wiederholt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie jeweils an den Haaren erfasste, sie zu Boden warf und an den Schultern und den Oberarmen packte, sie gegen die Wand drückte, ihre Hose herunterriss, sie fest an der Scheide berührte, sie auf das Bett warf und gewaltsam entkleidete, wobei er ihre Hände festhielt, ihr in einem Fall den Mund zuhielt und dann gegen ihren Willen heftig mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang, wobei „die Taten“ eine schwere Körperverletzung im Sinn einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich eine schwere posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatten;
(3) wiederholt durch Versetzen von Schlägen und in einem Fall, indem er auf ihren Bauch stieg, am Körper verletzt, wobei „die Taten“ Hämatome und eine schwere Körperverletzung im Sinn einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich eine schwere posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatten.
Dazu stellte das Erstgericht soweit hier wesentlich fest, dass das Tatopfer Biljana Mi***** eine mit länger als vierundzwanzig Tage dauernder Gesundheitsschädigung verbundene schwere posttraumatische Belastungsstörung erlitt, für die „die Übergriffe sexueller Natur, der Psychoterror und die körperliche Gewalt“ kausal waren (US 6).
Die rechtliche Beurteilung der den Schuldsprüchen 1 und 3 zugrunde liegenden Taten als mehrere Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1) und mehrere Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und Abs 2, 84 Abs 1 erster Fall StGB blieb aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO unangefochten.
Rechtliche Beurteilung
Bei Entscheidung über ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO ist die Rechtsfrage zu lösen, ob eine einzige Erfolgsqualifikation (hier eine schwere Körperverletzung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung mit länger als vierundzwanzig Tage dauernder Gesundheitsschädigung) auch im Fall ungleichartiger Realkonkurrenz nur bei einer Tat angelastet werden darf, wenn feststeht, dass mehrere Taten mitursächlich für den Taterfolg waren.
Dies wurde in der zu AZ 13 Os 114/11f ergangenen Entscheidung wenn auch nur der Vollständigkeit halber ausdrücklich bejaht, während der Oberste Gerichtshof zum AZ 15 Os 102/11f im Gegensatz dazu entschieden hat, dass „ungeachtet des Gebots, eine doppelte Anlastung ein und desselben Taterfolgs so weit wie möglich zu vermeiden, der Unwertgehalt von real konkurrierendem Beischlaf mit Unmündigen einerseits (§ 206 Abs 1 StGB) und Vergewaltigung andererseits (§ 201 Abs 1 StGB), die jeweils mitkausal für ein und dieselbe schwere Körperverletzung waren, erst durch die Unterstellung jeweils einer der ungleichartigen strafbaren Handlungen auch unter den entsprechenden Qualifikationstatbestand (§ 206 Abs 3 erster Fall, § 201 Abs 2 erster Fall StGB) in seinem vollen Umfang erfasst wird“; ein Fall von Scheinkonkurrenz aber auch von Exklusivität liege in dieser Konstellation nicht vor.
Die hier erforderliche Lösung dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die nach dem Vorgesagten in der Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet worden ist, bleibt nach § 8 Abs 1 Z 2 OGHG einem verstärkten Senat vorbehalten.