JudikaturOGH

4Nc9/12d – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Musger als weitere Richter in der beim Handelsgericht Wien zu 58 Cg 100/12g anhängigen Rechtssache der klagenden Parteien 1. L***** S*****, 2. H***** S*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 32.340,98 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei gemäß § 31 Abs 2 JN folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird anstelle des Handelsgerichts Wien das Landesgericht Innsbruck bestimmt.

Text

Begründung:

Der Erst- und die Zweitklägerin sind in Hopfgarten im Brixental ansässig. Die Beklagte ist eine Anlageberatungsgesellschaft mit Sitz in Wien; ihre Berater werden österreichweit tätig.

Gestützt auf die Behauptung, ein Mitarbeiter der Beklagten habe sie in Bezug auf bestimmte Wertpapiere falsch beraten, erhoben die Kläger beim Handelsgericht Wien eine Klage auf Zahlung von 32.340,98 EUR; hilfsweise begehrten sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für ihren Schaden. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen.

Zum Beweis stützten sich die Kläger (abgesehen von Urkunden) auf ihre Einvernahme als Partei und auf die Einvernahme des ebenfalls in Hopfgarten im Brixental ansässigen Beraters. Sie beantragten, diese Einvernahmen im Wege einer Videokonferenz durchzuführen. Dazu verwiesen sie auf ihr vorgerücktes Alter von 70 bzw 78 Jahren, das eine Anreise nach Wien beschwerlich mache. Die Beklagte beantragte die Einvernahme eines in Wien ansässigen Zeugen.

Das Erstgericht forderte die Kläger auf, zur „Bescheinigung des Verhinderungsgrundes“ aussagekräftige ärztliche Zeugnisse vorzulegen.

Daraufhin teilten die Kläger dem Gericht mit, dass solche „Zeugnisse“ nicht vorlägen. In weiterer Folge stellten sie den Antrag , die Sache an das Landesgericht Innsbruck zu delegieren. Zur Begründung verwiesen sie darauf, dass sie und der von ihnen geführte Zeuge im Sprengel dieses Gerichts ansässig seien und dass ihnen aufgrund ihres Alters die Anreise nach Wien nicht zugemutet werden könne. Zudem sei aufgrund von Parallelverfahren gerichtsbekannt, dass die Beklagte den Antrag auf Einvernahme des von ihr geführten Zeugen in aller Regel zurückziehe.

Die Beklagte sprach sich gegen den Delegierungsantrag aus. Sie halte den Antrag auf Einvernahme dieses Zeugen aufrecht; im Fall einer Delegierung müssten er und der Beklagtenvertreter nach Innsbruck anreisen. Aus diesem Grund führte eine Delegierung zu keiner Vereinfachung des Verfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist berechtigt.

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder ein maßgeblicher Teil davon vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (RIS Justiz RS0046333 [T3]). Zweckmäßigkeitsgründe sind vor allem der Wohnort (Sitz) der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen (RIS Justiz RS0046540; RS0053169 [T12]).

Im konkreten Fall überwiegen die Gründe für eine Delegierung. Kern des Rechtsstreits ist die konkrete Beratung der Kläger. Dazu sind sie und der ebenfalls im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck ansässige Berater zu vernehmen. Zwar kann derzeit nicht angenommen werden, dass die Beklagte auf den von ihr geführten Zeugen verzichtet. Im konkreten Fall gibt jedoch das vorgerückte Alter der Kläger den Ausschlag für die Delegierung. Auch wenn sie keine ärztlichen Zeugnisse für krankheitsbedingte Einschränkungen vorlegen konnten, wäre doch die Anreise nach Wien für sie aufgrund ihres Alters deutlich beschwerlicher als die allenfalls erforderliche Anreise des von der Beklagten geführten Zeugen nach Innsbruck. Zudem könnte dieser Zeuge zum Ablauf der Beratung ohnehin keine Auskunft geben; die Beklagte führte ihn nur zur Auslegung verschiedener Urkunden und zum offenbar aus Indizien abzuleitenden Bewusstseinsstand der Kläger. Auf die unmittelbare Beweisaufnahme könnte daher bei ihm viel eher verzichtet werden als bei den Klägern und dem von ihnen geführten Zeugen.

Aus diesen Gründen ist die Zuständigkeit dem Landesgericht Innsbruck zu übertragen.

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