11Os25/12d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Einberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Harald M***** und Kurt M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 3, 148 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. September 2011, GZ 054 Hv 58/11k 105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch des Angeklagten Harald M***** von einem weiteren Betrugsvorwurf enthält wurden Harald M***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 3, 148 erster und zweiter Fall StGB (I A und B) und Kurt M***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (II) schuldig erkannt.
Danach haben in Wien
I. Harald M***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig die nachgenannten Verfügungsberechtigten durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, die die T***** GmbH in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, verleitet, und zwar
A) vom 1. Februar 2004 bis August 2009 in vielfachen Angriffen durch Anstellung seines Bruders Kurt M***** bei der T***** AG und Vorgabe, dieser sei im gesamten Zeitraum für die T***** GmbH als Urlaubsbetreuer tätig gewesen, wobei er tatsächlich keine Tätigkeit für diese Gesellschaft ausführte, Verfügungsberechtigte der T***** AG, welche diese Auszahlungen an die T***** GmbH weiter verrechnete, zur Auszahlung von Monatsgehältern in der Gesamthöhe von ca 71.000 Euro, wodurch die T***** GmbH in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde;
B) ...
II. Kurt M***** von 1. Februar 2004 bis August 2009 dadurch, dass er sein Konto mit der Nummer ***** lautend auf Kurt M***** bei der E***** für die Überweisungen der Monatsgehälter zur Verfügung stellte und psychische Unterstützung leistete, zur Ausführung der unter Punkt I A beschriebenen strafbaren Handlung des Harald M***** beigetragen.
Der Erstangeklagte Harald M***** bekämpft den Schuldspruch zu I A mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO, der Zweitangeklagte Kurt M***** richtet seine Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 5 leg cit gegen den Schuldspruch II.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) ist der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO (zu dessen Rechtsnatur als bloß deklaratives Referat der entscheidenden Tatsachen Lendl , WK StPO § 260 Rz 6 ff und Ratz , WK StPO § 281 Rz 265 ff) mag er auch rein sprachlich nicht optimal konstruiert sein keineswegs „unverständlich“, sondern lässt vielmehr die betrügerische Verleitung von Verfügungsberechtigten der T***** Unternehmensgruppe durch den Erstangeklagten unschwer erkennen; der Plural „haben“ am Beginn des längeren Satzes im Ersturteil stellt wie bei verständniswilliger Leseart klar auf die beiden Angeklagten ab (und nicht die mehreren Verfügungsberechtigten in der Unternehmensgruppe).
Der Erledigung von Mängel und Tatsachenrüge ist voranzustellen, dass sich beide an entscheidenden Tatsachen zu orientieren haben, also an für das Erkenntnis in der Schuld oder Subsumtionsfrage maßgebliche. Bei einer aus einer gleichartigen Verbrechensmenge bestehenden Subsumtionseinheit nach § 29 StGB (wie hier) müsste etwa dargelegt werden, inwiefern eine für den Schuldspruch relevante Wertgrenze (hier: § 147 Abs 3 StGB) betroffen wäre. Weil der Beschwerdeführer dies durchgehend unterlässt, erweist sich sein diesbezügliches Vorbringen bereits deshalb als offenbar unbegründet (§ 285d Abs 1 StPO; RIS Justiz RS0116586 [vor allem T3], jüngst 11 Os 3/12v).
Im Einzelnen bleibt zu erwidern:
Die von der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hervorgehobene Aussage der Zeugin S***** (ON 97 S 77 „es gab Änderungen“ [der sogenannten Destinationsmappen]) war für die Erstrichter über die Ausführungen US 11 hinaus nicht gesondert erörterungsbedürftig, weil sich aus ihr kein Anhaltspunkt zur Unterstützung der mehrfach gewechselten (US 9) Verantwortung des Erstangeklagten ergibt, diese Arbeiten seien von seinem Bruder erledigt worden. Die Zeugin deponierte vielmehr unter einem, über die Urheberschaft der Änderungen keine Angaben machen zu können.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang durch den Bezug auf die Aussage der Zeugin S***** (US 11) Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) ortet, übersieht er, dass die kritisierte Urteilspassage nicht in einer Wiedergabe des im Rechtsmittel herausgegriffenen Aussageteils besteht, sondern in einer zusammenfassenden Würdigung mehrerer Beweisergebnisse (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 467 f).
Aus welchem Grund die Einbeziehung (auch) eines Vorbringens der Privatbeteiligtenvertreterin in der Hauptverhandlung in die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen (hier US 12) Nichtigkeit im Sinne von § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO begründen sollte, ist nicht nachvollziehbar, geht es doch beim davon betroffenen Unterschreiben von Urlaubsanträgen lediglich um eine von mehreren (sonst nicht bekämpften) Beitragshandlungen des Zweitangeklagten und wird somit kein erheblicher Tatumstand tangiert (RIS Justiz RS0116737).
Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) Gespräche zwischen den Mitarbeitern der T***** GmbH (ON 97 S 27) und Widersprüche zwischen deren Aussagen (ON 87 S 42, ON 97 S 53; US 10) als Ausgangspunkt für eine Kritik an den Überlegungen des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit der Zeugen (US 10) und der Unglaubwürdigkeit der beiden Angeklagten (US 9 f) nimmt, verkennt der Rechtsmittelwerber den Anfechtungsumfang dieses Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0099649).
Den Verweis auf ein Beweisergebnis (Zeuge L***** ON 97 S 59), wonach es im Jahr 2004 sogar einen Budgetantrag für eine Änderung der sogenannten Destinationsmappen gegeben habe (US 11), und die dazu bereits in der Mängelrüge erwähnte Aussage der Zeugin S***** (ON 97 S 77 US 11), verbindet der Rechtsmittelwerber mit der spekulativen Folgerung, „dass der Zweitangeklagte die Änderungen verfasst hat“, ohne jedoch zu erklären, welche entscheidenden Tatsachen des gegenständlichen Schuldspruchs durch diesen Teilaspekt betroffen sein sollten.
Dies gilt gleichermaßen für das Aufzeigen von im Detail widersprüchlichen Aussagen zu den Personen, die für die Eingabe von Kundenadressen verantwortlich gewesen sein sollen (US 11).
Dem mit Rechtsrüge (Z 9 lit a) unternommenen Bestreiten einer konstatierten Täuschung stehen die Feststellungen US 6, 7 entgegen, wonach diese gerade darin bestand, dass der Zweitangeklagte wahrheitswidrig als zu Gunsten von T***** beschäftigt und somit entgeltsberechtigt dargestellt wurde.
Die Behauptung, es sei „niemand getäuscht“ worden, weil die T***** AG vom Erstangeklagten übersandte Dienstverträge mit dem Zweitangeklagten „ohne weitere Überprüfung“ geschlossen hätte (US 6), lässt die gerade erwähnten Konstatierungen über das betrügerische Beziehen von Zahlungen ohne Leistungsäquivalent außer Acht. Nur zur Abrundung sei daran erinnert, dass selbst Nachlässigkeit oder Leichtgläubigkeit des Getäuschten das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal nicht ausschließen würde ( Kirchbacher in WK² § 146 Rz 17 mit Judikaturnachweisen).
Und auch die mit dieser Begründung eine Unterstellung unter § 153 StGB relevierende Subsumtionsrüge (Z 10) negiert dieses Sachverhaltssubstrat und entzieht deshalb die urteilsfremde Hypothese einer „Befugnis des Erstangeklagten zum Abschluss der Verträge“ einer meritorischen Erwiderung.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten:
Dessen Mängelrüge (Z 5) lässt gleichermaßen einen konkreten Bezug zu entscheidenden Tatsachen des angefochtenen Schuldspruchs II vermissen.
Zur Aussage der Zeugin S***** hinsichtlich der sogenannten Destinationsinfomappen kann zur Gänze auf die Erledigung der diesbezüglichen Einwände des Erstangeklagten verwiesen werden.
Dass einige Zeugen ein Erfassen von Kundenadressen oder „Budgettätigkeiten für die T*****“ durch den Zweitangeklagten nicht dezidiert ausschließen konnten, hat das Erstgericht dem Rechtsmittelvorwurf zuwider in seine Überlegungen miteinbezogen (US 11).
Es begründet keine Nichtigkeit, dass die Überlegungen der Tatrichter zu finanziellen Vorteilen des Erstangeklagten aus dem leistungslosen Entgelt für den Zweitangeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung (US 12) und nicht im Feststellungsteil des Urteils (angedeutet US 7: „... sich und den Zweitangeklagten unrechtmäßig zu bereichern ...“) aufscheinen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 Abs 1 StPO.