12Os31/12v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wohlmuth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner S***** wegen Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 22. September 2011, GZ 12 Hv 74/11k 25, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Werner S***** zweier Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I./), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./), mehrerer Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (III./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Nach dem Schuldspruch hat er von Mitte Juni 2011 bis 21. Juli 2011 in Knittelfeld
I./ außer den Fällen des § 201 StGB Melissa W***** mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er
1./ ihre linke Hand erfasste und unter seine Hose zu seinem nackten Penis zog, sie auf diese Weise veranlasste sein entblößtes Glied zu berühren und, als sie dazu ansetzte, ihre Hand aus seiner Hose zu ziehen, seine andere Hand so erhob, als würde er ihr eine Ohrfeige versetzen,
2./ sie aufforderte, seinen Penis in die Hand zu nehmen, ihre linke Hand mit beiden Händen fest erfasste und gewaltsam in seine Unterhose zu seinem nackten Penis zog und Melissa W***** dazu veranlasste, seinen nackten Penis zu berühren;
II./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person, nämlich an der am 7. Juli 2000 geborenen Melissa W*****, vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, und zwar
1./ durch die unter Punkt I./ geschilderten Tathandlungen,
2./ indem er sie in zwei Angriffen über der Pyjamahose in ihrem Scheidenbereich intensiv betastete,
3./ indem er in ihrem Scheidenbereich über der Pyjamahose mit einem Wattestäbchen auf und abfuhr,
4./ indem er sie dazu veranlasste, ihm ein Wattestäbchen in die Harnröhre einzuführen,
5./ indem er sie dazu veranlasste, ihm einen grünen, weichen dünnen Schlauch in die Harnröhre einzuführen,
6./ indem er sich auf die bekleidete, am Bauch liegende Melissa W***** legte und beischlafsähnliche Auf und Abbewegungen durchführte;
III./ Handlungen, die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen und zu den Tatzeitpunkten seiner Aufsicht unterstehenden Person, nämlich der am 7. Juli 2000 geborenen Melissa W*****, vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er sich in wiederholten Angriffen vor ihr im Schambereich Wasserspritzen injizierte;
IV./ Melissa W***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr mit einer Spritze mehrfach in den linken Oberschenkel stach, was mehrfache, teils blutende Stichverletzungen zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf die Abweisung eines Beweisantrags auf Vernehmung weiterer Zeugen, Beiziehung eines Jugendpsychologen zur Frage der Glaubwürdigkeit der Melissa W***** und ergänzende Vernehmung der Letztgenannten als Zeugin. Sie scheitert jedoch schon an der erforderlichen Antragstellung in der Hauptverhandlung. Einen schriftlichen Antrag bloß aufrecht zu halten (ON 24 S 14) genügt nicht (RIS Justiz RS0099099, RS0099511, RS0099178).
Mit den ohne Bezugspunkt zu einem Nichtigkeitsgrund getätigten Ausführungen, niemand aus dem Umfeld der Melissa W***** habe bei ihr eine Wesensänderung wahrgenommen, sie sei aus freien Stücken während des Tatzeitraums zum Angeklagten gekommen und habe immer wieder freiwillig bei diesem genächtigt sowie der Punkt II./5./ des Schuldspruchs betreffende Schlauch wäre bei der Hausdurchsuchung in der Wohnung des Angeklagten nicht aufgefunden worden, bekämpft der Rechtsmittelwerber nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.
Ein Urteil ist aktenwidrig (Z 5 letzter Fall), wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431).
Indem die Nichtigkeitsbeschwerde betreffend Punkt III./ des Schuldspruchs vorbringt, der Sachverständige habe in der Hauptverhandlung ausgeführt, bei den Wundmalen auf den vorlegten Lichtbildern handle es sich eher um Haarbalgentzündungen, Einstichstellen wären nicht mit Sicherheit auszumachen (ON 24 S 13), wird ein Fehlzitat nicht aufgezeigt, sondern neuerlich bloß die erstgerichtliche Beweiswürdigung bekämpft (vgl US 11).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.