14Os28/12t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Galina H***** wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 16. November 2011, GZ 11 Hv 94/11w 35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Galina H***** des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie am 14. Mai 2011 in St. P***** im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Ing. Otto S***** eine fremde Sache beschädigt, indem sie im ebenerdig gelegenen Lagerraum des im Eigentum der St***** St. P***** GmbH stehenden Aussichtsturms beim Autohof St. P***** unter Verwendung eines Brandbeschleunigers Feuer legte, wodurch ein 3.000 Euro übersteigender Schaden entstand.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Die Abweisung des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Unfallchirurgie oder der Orthopädie zum Beweis dafür, „dass aufgrund der Beinverletzungen des Erstangeklagten S*****, welche auch zu seiner Berufsunfähigkeit geführt haben, ein nicht auffälliges Davonlaufen nicht möglich ist“ (ON 32 S 20 f), erfolgte entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten, weil Bewegungseinschränkungen des Mittäters der Beschwerdeführerin einem §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB subsumierbaren Geschehen nicht entgegen stehen und daher nicht entscheidend sind. Unter dem Aspekt der grundsätzlich zulässigen (vgl RIS-Justiz RS0098429, RS0028345; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 340 und 350) Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen Michael K***** und Daniel B***** (BS 3), ist er ebenfalls nicht berechtigt, weil sich aus dem Antragsvorbringen keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, die betreffenden Zeugen hätten in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt, wozu etwa dargetan hätte werden müssen, dass sie rechtskräftig wegen Verleumdung verurteilt worden sind, zum konkreten Verfahrensgegenstand bereits falsche Angaben gemacht haben oder eine habituelle Falschbezichtigungstendenz erkennen lassen (RIS-Justiz RS0120109, zuletzt 14 Os 170/11y).
Im Übrigen haben sich die Tatrichter mit den (zudem in sich widersprüchlichen) Angaben des Ing. Otto S***** zu den Folgen seiner Beinverletzung (ON 32 S 22) und den Aussagen der angesprochenen Zeugen, wonach sich die Täter („normal“ bzw „schon ziemlich schnell“) laufend vom Tatort entfernten (ON 32 S 10, 13), auseinandergesetzt und unter Bedachtnahme auf die Depositionen der Beschwerdeführerin (die „schnelles Gehen“ einräumte; ON 32 S 5) und des Zeugen Stefan Ba***** (der die Täter „laufend“ wahrnahm; ON 32 S 14 f; US 8 f) ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie trotz dieser auf subjektiven Einschätzungen beruhenden divergierenden Depositionen an der Glaubwürdigkeit der Zeugen keine Zweifel hatten, womit sich die begehrte Begutachtung erübrigt.
Der Antrag auf brandtechnische Untersuchung der Kleidung der Angeklagten zum Beweis dafür, dass sich daran keine Verbrennungsspuren befinden (ON 34 S 10 f, 20 f), ließ eine Erheblichkeit des Beweisthemas für die Schuld- und Subsumtionsfrage im Sinne einer Eignung, die Beweiswürdigung in diesem Zusammenhang maßgeblich zu beeinflussen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 327 f und 341), ebenso wenig erkennen. Denn abgesehen davon, dass die erst in der Hauptverhandlung zur Untersuchung angebotenen Kleidungsstücke mangels unverzüglicher Sicherstellung nicht mit Sicherheit als diejenigen identifiziert werden konnten, die die Beschwerdeführerin am Tattag trug (US 11), hat der brandtechnische Sachverständige vom Erstgericht zutreffend zitiert ausgeführt, dass das Feuer verpuffungsartig durch Entzündung eines brennbaren Dampf-Luft- oder Gas Luftgemisches mit Entstehung einer Stichflamme entfacht wurde, ohne dass es (allein) derentwegen zu Brandspuren an der Kleidung (oder Brandverletzungen) von im Lagerraum befindlichen Personen gekommen sein muss (ON 34 S 4 f, 8 f und 12 f), womit aus dem von der Beschwerdeführerin erhofften Beweisergebnis, nämlich dem Fehlen derartiger Spuren, keine ihre Täterschaft in Frage stellenden Rückschlüsse gezogen werden können.
Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).
Die Konstatierungen zu den Tathandlungen der Angeklagten und ihres Mittäters haben die Tatrichter im Rahmen ihrer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung aus einer vernetzten Betrachtung sämtlicher erheblicher Verfahrensergebnisse abgeleitet und deren (gemeinsamen) Vorsatz unbedenklich (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452, RIS-Justiz RS0116882, RS0098671) aus diesem Verhalten erschlossen (US 7 bis 15). Diese Erwägungen widersprechen weder Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS-Justiz RS0118317) und sind daher dem in der Mängelrüge erhobenen Vorwurf (Z 5 vierter Fall) zuwider keineswegs Ausfluss „spekulativer und zielgerichteter Erfindungsgabe“. Mit dem Einwand fehlender objektiver Sachbeweise wird einerseits verkannt, dass eine logisch zwingende Begründung nicht erforderlich ist, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen, und andererseits übersehen, dass auch Indizienbeweise zulässig sind ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 449, 452; RIS-Justiz RS0098471, RS0098249 [T2]). Indem die Beschwerde den Urteilsannahmen eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt und die Schlüsse des Erstgerichts als weniger lebensnah und wahrscheinlich beurteilt, zeigt sie demnach keinen Begründungsmangel iSd Z 5 vierter Fall auf, sondern greift bloß unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Schöffengerichts an ( Ratz , WK-StPO §§ 444 ff; für viele: RIS-Justiz RS0099455).
Wahldeutige Feststellungen sind dann zulässig, wenn jede der wahlweise getroffenen Annahmen zu den gleichen rechtlichen Schlüssen führt ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 573, RIS-Justiz RS0098710), womit angesichts der konstatierten Mittäterschaft offen bleiben konnte, ob das von der Beschwerdeführerin mit dem Ziel, ein Feuer zu entfachen verschüttete Benzin von ihr oder Ing. Otto S***** entzündet wurde (US 4).
Wie sich die Täter Zugang zum Aussichtsturm verschafften, ist nicht entscheidend und damit einer Anfechtung aus Z 5 entzogen.
Dass die Angeklagte den Tatort „aufgrund des Alkoholgenusses“ aufsuchte, wurde gar nicht festgestellt. Aus welchem Grund die Annahme, sie habe sich aufgrund ihres vorangegangenen Genusses von alkoholischen Getränken in leicht alkoholtrunkenem, ihre Zurechnungsfähigkeit aber keineswegs ausschließendem Zustand befunden (US 4), im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zum „unterstellten Tatvorsatz“ stehen sollte, wird nicht erklärt.
Die Ableitung eines 3.000 Euro übersteigenden Schadens aus den für glaubwürdig erachteten Aussagen des Zeugen Walter C***** im Verein mit dem auf den aktenkundigen Lichtbildern ersichtlichen Ausmaß der durch den Brand verursachten Beschädigungen, den darauf bezogenen Ausführungen des brandtechnischen Sachverständigen und allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen (US 16) ist dem Vorwurf bloßer Scheinbegründung zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ebensowenig zu beanstanden. Die konkrete Schadenshöhe (bis zur Wertgrenze des § 126 Abs 2 StGB; hier: von annähernd 50.000, jedenfalls aber mehr als 40.000 Euro; US 6) aber ist wie die Beschwerde einräumt nicht subsumtionsrelevant und kann demnach in diesem Umfang als Strafzumessungstatsache (§ 32 Abs 2 StGB) bloß mit Berufung angefochten werden (vgl RIS-Justiz RS0106268, RS0099497, RS0116586 [T1, T3]).
Der Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) wird bloß unsubstantiiert erhoben und entzieht sich somit einer inhaltlichen Erwiderung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.