15Os167/11i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Krasa als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred D***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde (gegen das Verfallserkenntnis) und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Oktober 2011, GZ 51 Hv 83/11i 38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien übermittelt.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred D***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 zweiter Satz StGB schuldig erkannt und über ihn eine nach § 43a Abs 3 StGB teilweise bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe verhängt.
Nach dem Schuldspruch hat er in Wien - zusammengefasst wiedergegeben - als Kassier des m***** der Stadt Wien, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch die Stadtgemeinde Wien an ihren Vermögensrechten und ihren Rechten auf ordnungsgemäße Führung der Stadtkasse sowie auf Dokumentation der Auszahlungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Stadtgemeinde Wien als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht und durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt, indem er
I./ zwischen 29. Juni 2007 und 12. Jänner 2011 in 621 (im Urteilsspruch näher beschriebenen) Angriffen mit fiktiven oder dem Telefonbuch entnommenen Namen und mit nachgemachten Unterschriften versehene Auszahlungsbelege herstellte bzw Anträge auf Rückvergütung von Parkometerabgaben auf von ihm gefälschten Formularen anfertigte, darauf die Namen der für solche Anträge zuständigen Sachbearbeiter einsetzte, ein Amtssiegel hinzufügte, die meisten Auszahlungsbelege mit den gefälschten Anträgen zur Buchhaltung gab und insgesamt 106.802,50 Euro Bargeld aus der Amtskasse entnahm, welches er für eigene Zwecke verwendete;
II./ von Oktober 2008 bis Jänner 2011 in einer Vielzahl von Angriffen unrichtige Tagesabschlusslisten der Stadtkasse 2 des m***** der Stadt Wien erstellte, dafür Berechnungsformeln in der elektronischen Buchhaltung veränderte, sodass die Listen dadurch höhere Tagesabschlüsse auswiesen, und die daraus resultierenden Differenzbeträge aus der Kassa entnahm, wobei letztlich nach Rückstellung von Teilbeträgen ein Fehlbetrag von 2.250 Euro aushaftete.
Weiters wurden gemäß § 20 Abs 1 StGB „die sichergestellten und beschlagnahmten Vermögenswerte in der Höhe von 29.680 Euro (resultierend aus den Versicherungspolizzen Nr ***** der W*****, Nr ***** der B***** AG, dem Wertpapierdepot Nr ***** der C***** AG und der Münzsammlung)“ und gemäß § 20 Abs 3 StGB „ein Betrag von 79.372,50 Euro (resultierend aus der Differenz zwischen dem durch die Begehung des Missbrauchs der Amtsgewalt erlangten Gesamtgeldbetrag von 109.052,50 Euro und den sichergestellten Vermögenswerten)“ für verfallen erklärt.
Dazu hielt das Erstgericht in den Entscheidungsgründen (US 28) lediglich fest, dass die vom Angeklagten „durch die von ihm begangene, mit Strafe bedrohte Handlung“ erzielten Vermögenswerte „gemäß § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB für verfallen zu erklären“ waren.
Ausschließlich gegen den Verfallsausspruch wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist festzuhalten, dass die zu einer Subsumtionseinheit zusammengefassten (RIS-Justiz RS0121981) Taten teilweise (I./ Nr. 617 bis 621 sowie II./) auch nach dem 1. Jänner 2011 gesetzt wurden, sohin zeitlich bis in den Geltungsbereich der §§ 20 und 20a StGB idgF hineinreichen, sodass die genannten Bestimmungen (ohne Anstellen eines Günstigkeitsvergleichs) jedenfalls anzuwenden sind. Demgemäß gehen die die Härteklausel des § 20a Abs 1 Z 3 StGB in der vor dem 1. Jänner 2011 geltenden Fassung ansprechenden Beschwerdeausführungen ins Leere.
Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen wurden nicht „unzählige Sachen, die der Angeklagte besessen hat“ nach § 20 Abs 1 StGB für verfallen erklärt, sondern - aus den durch den Urteilsspruch verdeutlichten Entscheidungsgründen hinreichend konkret (RIS-Justiz RS0117995, RS0099425) entnehmbar - die sich aus zwei Versicherungspolizzen und einem Wertpapierkonto ergebenden Werte sowie die sichergestellte (in ihren einzelnen Bestandteilen nicht angeführte) Münzsammlung.
Der Beschwerdeführer rügt in Ansehung der Verfallsaussprüche nach § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB allerdings der Sache nach zutreffend das Fehlen von Feststellungen zu für diese Entscheidung wesentlichen Sanktionsanknüpfungspunkten, wonach die für verfallen erklärten (der Höhe nach - allerdings ohne Begründung - im Einzelnen bezifferten) Werte für die Begehung der angelasteten mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden.
Weiters vermisst der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Bestimmung des § 20a Abs 2 Z 2 StGB in der Fassung des BGBl I 2010/108 zutreffend entscheidungswesentliche, durch seine Verantwortung (ON 37 S 17 f) indizierte Konstatierungen zur Höhe der (durch Einbehalten von das Existenzminimum übersteigenden Bezügen erfolgten) teilweisen Schadensgutmachung.
Diese dem Ausspruch nach § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB anhaftende materiell-rechtliche Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO ( Fuchs/Tipold , WK-StPO § 443 Rz 60, 11 Os 155/11w) macht dessen Aufhebung unvermeidlich (zum weiteren Vorgehen s § 445 Abs 2 letzter Satz StPO).
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht übermittelt.