JudikaturOGH

15Os4/12w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. März 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Krasa als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich U***** wegen der Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 20 Hv 88/07d des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Einsichtnahme durch die Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Oktober 2007, GZ 20 Hv 88/07d 71, wurde Friedrich U***** der Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB, der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz (Abs 4 Z 1) StGB und nach § 207a Abs 3 erster Satz (Abs 4 Z 3 lit b) StGB, des Vergehens des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 15 StGB sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 15. April 2008, AZ 14 Os 41/08y, zurückgewiesen.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 6. Juni 2008, AZ 9 Bs 173/08x (ON 99 des Hv Akts), wurde der Berufung des Friedrich U***** Folge gegeben und die Strafe auf neun Jahre herabgesetzt. Dem damaligen Verteidiger wurden der Beschluss des Obersten Gerichtshofs am 6. Mai 2008 und das Urteil des Oberlandesgerichts Graz am 24. Juni 2008 zugestellt.

Mit dem vorliegenden, direkt an den Obersten Gerichtshof gerichteten, am 13. Jänner 2012 eingelangten, in der Folge mehrfach ergänzten Antrag vom 2. Jänner 2012 begehrt der Verurteilte die Erneuerung des Strafverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag erweist sich als unzulässig.

Der Erneuerungsantrag war schon deshalb ohne meritorische Prüfung zurückzuweisen, weil die Eingabe des Verurteilten entgegen der zwingenden gesetzlichen Anordnung des § 363b Abs 2 Z 1 StPO nicht von einem Verteidiger (§ 48 Abs 1 Z 4 StPO) unterschrieben wurde und dieser Mangel aufgrund des Fehlens einer § 285a Z 3 letzter Satz StPO, § 3 Abs 2 zweiter Satz GRBG vergleichbaren Bestimmung einer Verbesserung nicht zugänglich ist. Der Hinweis des Verurteilten in seinem ergänzenden Schreiben vom 1. März 2012, sein letzter Verfahrenshilfeverteidiger werde die Unterschrift übermitteln, vermag daran nichts zu ändern.

Im Übrigen ist ein Erneuerungsantrag, der sich nicht auf eine Entscheidung des EGMR berufen kann, nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zwar zulässig (RIS Justiz RS0122228), muss aber allen gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß entsprechen (RIS Justiz RS0122737).

Zulässigkeitskriterium für die Befassung des EGMR durch Erhebung einer Individualbeschwerde ist ua das Einhalten einer sechsmonatigen Frist nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung (Art 35 Abs 1 MRK); als solche kommt eine in Betracht, die letztinstanzlich infolge eines effektiven Rechtsmittels und in Bezug auf den Beschwerdegegenstand ergangen ist. Im Hinblick auf das angeführte Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 6. Juni 2008, welches die Strafsache rechtskräftig beendete, ist das Erfordernis rechtzeitiger Geltendmachung nicht erfüllt.

Mit Blick auf den subsidiären Charakter des Erneuerungsantrags gelangen in Bezug auf das Grundrecht auf Freiheit die Bestimmungen des GRBG zur Anwendung (RIS Justiz RS0122737, RS0123350), das insoweit den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ausdrücklich regelt. Nach § 1 Abs 1 GRBG steht wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzugs die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu. Dies gilt nach der ausdrücklichen Regelung des § 1 Abs 2 GRBG nicht für die Verhängung und den Vollzug von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, weshalb in diesen Fällen eine Grundrechtsbeschwerde nach § 1 Abs 2 GRBG ebenso ausgeschlossen ist wie der dazu subsidiäre Erneuerungsantrag (15 Os 149/07m; 14 Os 60/08t; jüngst 11 Os 87/11w). Nach Art 5 Abs 1 lit a MRK reicht zudem die bloß formale Rechtfertigung der Freiheitsentziehung durch eine Verurteilung aus, weshalb auch der EGMR lediglich überprüft, ob eine solche Verurteilung ergangen ist (vgl Grabenwarter , EMRK 4 § 21 Rz 12 mwN).

Soweit der Einschreiter auch den Vollzug der Maßnahme gemäß § 21 Abs 2 StGB releviert, steht ihm somit ein Erneuerungsantrag bereits aus formellen Gründen nicht offen.

Rückverweise