12Os187/11h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Potmesil als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard B***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. September 2011, GZ 18 Hv 50/11g 36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard B***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./A./) und nach § 207 Abs 2 StGB (I./B./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (I./C./), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I./D./), der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (II./A./), der pornographischen Darstellungen mit Unmündigen nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB idF BGBl I 2002/134 (II./B./) sowie der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB (II./C./1./ bis 3./) schuldig erkannt. Er wurde hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er in Graz (zusammengefasst wiedergegeben)
I./ von Dezember 2009 bis 30. Mai 2011
A./1./ und 2./ mit seiner am 17. Oktober 2000 geborenen, somit unmündigen Stieftochter Jacqueline Z***** mehrfach geschlechtliche Handlungen außer dem Fall des § 206 StGB vorgenommen, indem er ihre Scheide leckte und betastete sowie ihre Brust berührte, und
B./ die Genannte, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, auch mehrfach dazu verleitet, durch Betasten der Brust und Scheide geschlechtliche Handlungen an sich selbst vorzunehmen;
C./ durch die unter Punkt A./ angeführten Tathandlungen mit seinem minderjährigen Stiefkind geschlechtliche Handlungen vorgenommen und durch die unter Punkt B./ angeführten Handlungen, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen an sich selbst vorzunehmen;
D./ durch die Ankündigung, er werde sie schlagen, wenn sie jemandem von den Vorfällen erzähle, sohin durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Bekanntgabe der an ihr verübten sexuellen Übergriffe genötigt;
II./ die im Urteil näher bezeichneten pornographischen Darstellungen am 3. April 2010 und am 2. April 2011 hergestellt (A./) und von zumindest März 2003 bis 30. April 2004 (B./) sowie von 1. Mai 2004 bis 31. Mai 2011 sich in zahlreichen Angriffen über das Internet verschafft und ab der Speicherung bis zur Löschung der Dateien besessen (C./1./ bis 3./).
Rechtliche Beurteilung
Ausschließlich gegen die Anordnung der Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB richtet sich die nominell auf Z 3, 4, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Die Anordnung einer Maßnahme nach § 21 StGB stellt einen Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO dar, der mit Berufung und lediglich nach Maßgabe des § 281 Abs 1 Z 11 StPO (aus Z 11 erster Fall zudem iVm Z 2 bis 5a) auch mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden kann. Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO liegt vor, wenn die in Frage gestellte Gefährlichkeitsprognose zumindest eine der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der Befürchtung der Begehung von strafbaren Handlungen mit schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt (vgl zur Anfechtungsbefugnis Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 9 und WK StPO § 281 Rz 715 ff; RIS Justiz RS0118581, RS0113980, RS0090341).
Mit seiner Kritik am Sachverständigengutachten bekämpft der Beschwerdeführer nicht die Sanktionsbefugnis, sondern die auf sämtliche gesetzlichen Prognosekriterien gegründete Gefährlichkeitsprognose (US 10) und macht damit einen Berufungsgrund geltend.
Der Vollständigkeit halber sei zum Einwand der mangelnden fachlichen Qualifikation des Sachverständigen festgehalten, dass eine allfällige Verletzung des § 47 Abs 1 Z 3 (§ 126 Abs 4) StPO nicht unter Nichtigkeitssanktion steht und damit auch kein Gegenstand der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO sein kann (vgl Hinterhofer , WK-StPO § 126 Rz 72).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.