JudikaturOGH

12Os184/11t – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernas K***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 20. Oktober 2011, GZ 26 Hv 139/11b 38, sowie über die Beschwerden gegen einen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernas K***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen; vgl RIS Justiz RS0123911) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (A./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (B./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (C./) schuldig erkannt.

Danach hat sie

A./ vorschriftswidrig in L***** gewerbsmäßig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge durch Verkauf anderen überlassen, wobei sie schon einmal nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist, nämlich

1./ von Mitte September 2010 bis Ende Februar 2011 und für zwei Wochen im Mai 2011 Ahmet Y***** insgesamt 48 Substitoltabletten à 200 mg;

2./ von Mitte September 2010 bis Ende Februar 2011 Ersin Yi***** insgesamt 44 Substitoltabletten á 200 mg;

3./ Deniz C***** nachstehende Mengen, und zwar

a./von November 2010 bis Ende Jänner 2011 insgesamt 90 Substitoltabletten á 200 mg;

b./ von Anfang Februar 2011 bis Ende April 2011 insgesamt ca 90 Substitoltabletten á 200 mg;

4./ von Mitte Oktober bis Ende Oktober 2010 Stefan P***** in zwei Angriffen insgesamt 1,5 Gramm Heroin;

5./ im Dezember 2010 über Stefan P***** dem Mert Yi***** 1 Gramm Heroin;

6./ Selcuk S*****

a./ von 21. März 2011 bis 30. Juni 2011 insgesamt 91 Substitoltabletten á 200 mg;

b./ im Winter 2010/2011 des Öfteren jeweils 5 bis 10 Gramm Heroin;

7./ von Mitte April 2011 bis Mitte Mai 2011 Ertugrul Ö***** insgesamt 10 Substitoltabletten á 200 mg;

8./ im Juni 2011 Sezgin Ü***** und Monique Sch***** insgesamt eine Substitoltablette á 200 mg;

B./ vorschriftswidrig „Suchtgift nicht ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, nämlich in W***** und andernorts von unbekannten Personen eine insgesamt unbekannte Menge Substitoltabletten á 200 mg angekauft und davon abzüglich der unter A./ beschriebenen Verkäufe zumindest im Zeitraum Anfang November 2010 bis Ende März 2011 jeden zweiten Tag eine Substitoltablette konsumiert“;

C./ am 5. Jänner 2011 in S*****, wenn auch nur fahrlässig eine verbotene Waffe (§ 17 WaffG), nämlich einen Schlagring unbefugt besessen.

Die dagegen gerichtete und auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter den Umstand, dass bei der Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten nach deren Festnahme neben einer Suchtgiftwaage und einem Etui für Spritzbesteck „lediglich“ eine einen Drogenersatzstoff enthaltene Tablette sichergestellt wurde, sehr wohl gewürdigt (US 5), weshalb von Unvollständigkeit nicht die Rede sein kann. Mit dem Vorbringen, „bei einer übergroßen Menge von überlassenen Suchtmittel über einen längeren Zeitraum und vor dem Hintergrund einer täglichen bzw wöchentlichen Weitergabe“ hätten bei der Hausdurchsuchung jedenfalls Suchtmittel gefunden werden müssen, wird nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bloß die erstgerichtliche Beweiswürdigung bekämpft. Dasselbe gilt für den Einwand der Rechtsmittelwerberin, „dass bei einer schwer drogensüchtigen Angeklagten die von den Zeugen bei der Polizei angegebenen Mengen mit Sicherheit unwahrscheinlich sind, da das Suchtmittel sicherlich für den Eigenbedarf bezogen wurde“.

Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583). Diesen Anfechtungsrahmen überschreitet die Tatsachenrüge, indem sie das Vorbringen zur Mängelrüge wiederholt und auf die Drogensucht der Angeklagten und die „erfolglose“ Hausdurchsuchung hinweist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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