JudikaturOGH

8Nc62/11a – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) A***** H*****, und 2) I***** H*****, ebendort, beide vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei W***** G*****, wegen 18.947,95 EUR sA, über den Antrag der klagenden Parteien auf Bestimmung der Zuständigkeit nach § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der klagenden Parteien, gemäß § 28 JN das für die gegenständliche Rechtssache örtlich zuständige Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Kläger nehmen den Beklagten als Vermögens bzw als Anlageberater in Anspruch und machen Schadenersatzansprüche aus einer schuldhaften Verletzung der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit einer vermittelten Vermögensanlage geltend. In ihrem Ordinationsantrag, dem der Klagsentwurf angeschlossen ist, berufen sie sich auf das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit (richtig internationalen Zuständigkeit) nach Art 14 LGVÜ. Sie hätten den Vertrag über die Vermögensanlage als Privatpersonen abgeschlossen. Der Beklagte habe seine Beratungsleistungen an ihrem Wohnsitz in Österreich erbracht, wo auch der Vertrag unterfertigt worden sei. Da es an einem örtlich zuständigen Gericht im Inland fehle, sei vom Obersten Gerichtshof das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen, wobei die Bestimmung des Landesgerichts Innsbruck angeregt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht begründet.

1. Die Kläger nehmen noch auf das Lugano Übereinkommen vom 16. 9. 1988 Bezug. Zwischenzeitlich existiert allerdings das revidierte Lugano Übereinkommen (LGVÜ II), das am 30. 10. 2007 abgeschlossen wurde. Unterzeichner sind die Europäische Gemeinschaft, das Königreich Dänemark, das Königreich Norwegen, die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Republik Island. Während das LGVÜ II für die Europäische Union, Dänemark und Norwegen am 1. 1. 2010 in Kraft getreten ist, gilt es für die Schweiz seit 1. 1. 2011 und für Island seit 1. 5. 2011.

2.1 Gemäß Art 63 Abs 1 LGVÜ II sind die Vorschriften dieses Übereinkommens auf solche Klagen anzuwenden, die erhoben wurden, nachdem dieses Übereinkommen im Ursprungsstaat und, sofern die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung geltend gemacht wird, im ersuchten Staat in Kraft getreten ist. Für die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsnormen durch ein österreichisches Gericht ist somit die Geltung des revidierten Übereinkommens für Österreich maßgebend. Damit ist das Übereinkommen für in seinen Anwendungsbereich fallende Klagen in Österreich ab 1. 1. 2010 anzuwenden.

2.2 Der Verbrauchergerichtsstand ist nunmehr in Art 15 bis 17 LGVÜ II geregelt. Nach Art 16 Abs 1 leg cit kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes , an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

Die Wendung „Gericht des Ortes“ bezieht sich auf die (internationale) örtliche Zuständigkeit. Damit wird so wie in Art 16 Abs 1 EuGVVO - für Aktivklagen des Verbrauchers die örtliche Zuständigkeit (und nicht nur die internationale Zuständigkeit) am Wohnsitz des Verbrauchers begründet.

3. Bei Vorliegen einer Verbraucherstreitigkeit ergibt sich die (internationale) örtliche Zuständigkeit somit nunmehr unmittelbar aus dem LGVÜ II. Für eine Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 28 JN verbleibt damit kein Raum.

Ist - ausgehend von den zuständigkeitsbegründenden Behauptungen der Kläger, die (zunächst) der Zuständigkeitsprüfung zugrunde zu legen sind - die (internationale) örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts gegeben, so ist der Ordinationsantrag abzuweisen (vgl RIS Justiz RS0121494).

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