JudikaturOGH

13Os130/11h – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Mevljan J***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ali N*****, Labinot Ju***** und Mensur O***** sowie die Berufungen des Angeklagten Mevljan J***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. August 2011, GZ 31 Hv 70/11f 80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Ali N*****, Labinot Ju***** und Mensur O***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant Ali N***** des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (I und II), Labinot Ju***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (I und III) und Mensur O***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (I) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien fremde bewegliche Sachen durch Einbruch in Wohnungen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar

(I) am 14. April 2011 Ali N*****, Labinot Ju***** und Mensur O***** gemeinsam mit zwei Mittätern dem Michael On***** einen Tresor sowie im Urteil näher beschriebene Schmuckstücke und Geschoße im Wert von 1.250 Euro, indem Labinot Ju***** und ein Mittäter ein Fenster aufbrachen, in die Wohnung einstiegen und den vor der Wohnung wartenden Ali N***** und Mensur O***** den Tresor durch das Fenster reichten und im Auto des Mensur O***** verstauten;

(II) zwischen 8. und 9. Mai 2010 Ali N***** der Franziska T***** Schmuck in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert, indem er (möglicherweise mit einem Mittäter) das Fenster ihrer Wohnung aufbrach;

(III) zwischen 27. und 28. April 2010 Labinot Ju***** dem Thomas S***** Schmuck in einem im Zweifel 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert, indem er die Scheibe einer Terrassentür einschlug,

wobei Ali N***** und Labinot Ju***** in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und der Wert der von Ali N***** weggenommenen Sachen 3.000 Euro übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Ali N***** aus Z 4 und 5, von Labinot Ju***** aus Z 4 und von Mensur O***** aus Z 4, 5 und 9 (lit a) des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht berechtigt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Ali N*****:

Zum Schuldspruch I kritisiert die Verfahrensrüge (Z 4) zu Unrecht die Abweisung des Antrags auf „zeugenschaftliche Einvernahme des Insp. H*****, des Protokoll aufnehmenden Beamten bezüglich der Zeugin F*****“ zum Beweis dafür, „dass die vollständige Aussage der Zeugin F***** im Protokoll AS 79 in ON 11 vollständig oder richtig wiedergegeben wurde, von ihr genehmigt wurde, sie Gelegenheit hatte, Änderungen, Korrekturen oder Ergänzungen durchzuführen und dies für nicht erforderlich erachtet hat und die Unrichtigkeit ihrer heutigen Aussage, wonach drei Personen aus dem Auto ausgestiegen wären, darzulegen und die Täterschaft des Zweitangeklagten N***** damit auszuschließen ist“ (ON 79 S 105), weil unklar bleibt, weshalb durch Vernehmung des Beamten, der die Zeugin im Ermittlungsverfahren befragt hat, die Unrichtigkeit ihrer Angaben in der Hauptverhandlung zur Anzahl der Täter erwiesen und eine Täterschaft des Beschwerdeführers ausgeschlossen werden könnte.

Im Übrigen ist das Gericht ohnedies nicht davon ausgegangen, dass der Kriminalbeamte die Aussage der Zeugin im Ermittlungsverfahren falsch protokolliert hätte oder die Vernehmung nicht korrekt abgelaufen wäre (US 17 f, 19).

Die weiteren, erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachten Umstände können zufolge des Neuerungsverbots keine Berücksichtigung finden (RIS Justiz RS0099618, RS0099117).

Indem die Rüge zum Schuldspruch II Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) einwendet, bekämpft sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung der Tatrichter, die die leugnende Verantwortung des Angeklagten mit mängelfreier Begründung (nämlich unter Berücksichtigung der von ihm zugestandenen Anwesenheit im Tatortbereich sowie der Umstände, dass der im Tatobjekt aufgefundenen Taschenlampe die DNA des Angeklagten anhaftete und er die angeblich wahren Täter nicht nennen konnte) für widerlegt erachtet haben.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Labinot Ju*****:

Da die Tatrichter keinen 3.000 Euro übersteigenden Schaden angenommen haben (US 13), wurde das begehrte Schätzgutachten „zum Wert diverser Schmuckstücke beim Diebstahl am 27. April 2010, zum Beweis dafür, dass der Gesamtwert der gestohlenen Sachen den Wert von 3.000 Euro nicht übersteigt“ (ON 79 S 107), der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider zu Recht nicht eingeholt.

Den Antrag ergänzendes Beschwerdevorbringen, wonach die Gegenstände wertlos seien, ist unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618, RS0099117).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mensur O*****:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) konnte die beantragte Vernehmung der Ehefrau des Beschwerdeführers unterbleiben, weil das Gericht die Tatsache, dass der Angeklagte die Ehewohnung am Tattag erst gegen 21:00 Uhr verlassen hat, im Sinn des Beweisthemas als erwiesen angenommen hat (ON 79 S 109 ff).

Ebenso wenig war die „Einvernahme der Zeugen GI M***** und GI R*****, das sind die beiden Inspektoren, die das Fahrzeug des Herrn O***** angehalten haben, nämlich zum Beweis dafür, dass Mensur O***** durch besonders langsames Fahren seines Fahrzeuges zur Anhaltung und Festnahme sowie zu der Tataufklärung beigetragen hat“ (ON 79 S 111), erforderlich. Denn das Erstgericht ist ohnedies davon ausgegangen, dass der Angeklagte langsam gefahren ist und sofort angehalten hat (ON 79 S 113), wobei im Übrigen ein allfälliger Beitrag zur Tataufklärung für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage gar nicht relevant ist.

Auf das die Beweisanträge ergänzende Vorbringen in der Rechtsmittelschrift ist zufolge des Neuerungsverbots nicht einzugehen (RIS Justiz RS0099618, RS0099117).

Indem die Mängelrüge (Z 5) gar nicht bestreitet, dass der Beschwerdeführer in Tatortnähe gewartet hat, sondern mit der Kritik an den Konstatierungen zur Fahrtroute des von ihm gelenkten Fluchtfahrzeugs vielmehr die Begründung zur Feststellung, er habe vom Einbruchsdiebstahl gewusst, bekämpft, stellt sie die aus den Angaben der Zeugin F***** und des Angeklagten Faruk M***** entsprechend den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen gezogenen Schlüsse der Tatrichter (US 15) und solcherart unzulässig die Beweiswürdigung in Frage, wobei sich das Erstgericht dem weiteren Einwand zuwider auch mit divergierenden Angaben der genannten Zeugin zur Anzahl der Täter auseinandergesetzt hat (US 17, 19).

Die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe vom Tatplan der Mitangeklagten nichts gewusst, hat das Erstgericht dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider nicht übergangen, diese vielmehr als „völlig unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar“ beurteilt (US 15). Angesichts dieser Einschätzung wären die Tatrichter auch nicht verhalten gewesen, sich mit der in der Rüge allerdings ohne erforderliche Angabe einer Fundstelle (vgl RIS-Justiz RS0124172) behaupteten - Verantwortung des Angeklagten, er habe ab Kenntnis alles in seiner Macht Stehende getan, um einen weiteren Schaden abzuwenden, gesondert auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0098642). Mit der nicht gegen eine entscheidende Tatsache gerichteten Kritik, die Feststellung, wonach die Angeklagten nach der Tat „von der Polizei angehalten“ wurden, widerspreche den Verfahrensergebnissen, wird kein Widerspruch im Sinn der Z 5 dritter Fall aufgezeigt (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 437).

Dass das Erstgericht die subjektive Tatseite aus dem objektiven Geschehen abgeleitet hat, ist rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).

Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, wonach der Vorsatz des Angeklagten auf unrechtmäßige Bereicherung durch Wegnahme von durch Einbruch erlangten fremden Sachen gerichtet war, deutlich. Mit der Behauptung eines Feststellungsmangels, weil der Beschwerdeführer „alles Erdenkliche dazu beigetragen“ hat, „den Sachverhalt möglichst rasch aufzuklären und einen größeren Schaden abzuwenden“, wird ein Berufungsgrund geltend gemacht (§ 34 Abs 1 Z 15 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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