14Os149/11k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus W***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. September 2011, GZ 032 Hv 23/11a 31, sowie dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Verlängerung von Probezeiten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus W***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (I) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er von Februar oder März 2010 bis Juni 2010 in W***** in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Angriffen, „insgesamt etwa zehn Mal“
(I) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 21. Juli 2001 geborenen, somit unmündigen Kiara G***** vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er teils mit seinem Penis, teils mit seiner Hand ihre Vulva berührte und sie veranlasste, seinen Penis anzufassen und zu reiben, wobei er teils vor ihr bis zur Ejakulation masturbierte;
(II) mit der unmündigen Kiara G*****, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person, durch die zu I geschilderten Angriffe geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen.
Die dagegen aus Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Soweit die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) undeutliche Feststellungen zur Alkoholbeeinträchtigung des Angeklagten moniert und „nähere Angaben über das genaue Ausmaß der Alkoholisierung“ zur Beurteilung „des Gewichts des Milderungsgrundes des § 35 StPO“ (gemeint: StGB) einfordert, richtet sie sich gegen die Ermessensausübung bei der Sanktionsfindung und erstattet damit lediglich ein Berufungsvorbringen.
Die als übergangen reklamierten Ausführungen des Sachverständigen, wonach sich unter Berücksichtigung der vom Angeklagten angegebenen Konsumation von drei Flaschen Prosecco zu den jeweiligen Tatzeitpunkten und dessen Körpergewicht eine Alkoholisierung von 3,9 Promille ergäbe (ON 30 S 25), mussten die Tatrichter schon deshalb nicht erörtern, weil sie die behauptete Trinkmenge der Annahme eines die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustands (US 4, 6) nicht zugrunde legten.
Mit den Hinweisen auf seine Erinnerungslücken, die angeblich mangelnde Fähigkeit der „achtjährigen“ Kiara G***** zur Erstattung verlässlicher zeitlicher Angaben, und die Aussage dieser Zeugin zu den vielen Fehlern des Angeklagten anlässlich seiner Hilfestellung bei ihren Hausaufgaben sowie mit der Kritik an der auf Basis des Sachverständigengutachtens getroffenen Urteilsannahme, wonach „wiederkehrende Vollräusche in der Regel niemals zu wiederkehrend gleichen Fehlhandlungen führen“ (US 5), versucht der Angeklagte, aufgrund eigener Beweiswerterwägungen seiner Zurechnungsunfähigkeit behauptenden Einlassung zum Durchbruch zu verhelfen und bekämpft solcherart die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Dem weiteren Einwand (Z 5 dritter Fall) zuwider ist ein Widerspruch zwischen der im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) enthaltenen Zahl von „etwa zehn“ kriminellen Angriffen und den festgestellten elf Tathandlungen (US 1 und 3) nicht gegeben.
Mit bloßer Wiederholung der Argumentation der Mängelrüge gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.
Indem der Beschwerdeführer mit Sanktionsrüge (Z 11) fehlende Feststellungen zu seiner schweren Vergangenheit und zu der von ihm begonnenen Psychotherapie moniert, die Nichtberücksichtigung von Milderungsgründen des § 34 Abs 1 StGB, die Gewichtung von Erschwerungsgründen sowie der Alkoholisierung zu den Tatzeitpunkten kritisiert und die bedingte Nachsicht zumindest eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe fordert, erstattet er neuerlich bloß ein Berufungsvorbringen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 728).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde gegen den Beschluss auf Verlängerung von Probezeiten kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.