11Os150/11k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer, in der Strafsache gegen Fritz R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Juli 2011, GZ 42 Hv 51/11t 26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Fritz R***** des Verbrechens (richtig: mehrerer Verbrechen) der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens (richtig: mehrerer Vergehen) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er (zusammengefasst) von 2006 bis November 2009 in Wien Jasmin H*****
I./ dadurch, dass er sie auf das Bett stieß und niederdrückte (US 5), mit Gewalt zum Beischlaf und zu beischlafähnlichen Handlungen, nämlich zum Vaginal , Oral- und Analverkehr genötigt;
II./ durch die wiederholte Ankündigung, er werde sie töten, sollte sie etwas der Mutter oder jemand anderen sagen, sohin durch gefährliche Drohung, zur Unterlassung der Bekanntgabe seines strafbaren Verhaltens genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Mit Einwänden gegen die Feststellungen zum Tatzeitraum spricht die Mängelrüge auch mit Blick auf die sonst hinreichend individualisierten Taten gegenständlich keine für die Lösung der Schuld oder der Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an (RIS Justiz RS0098557).
Soweit der Beschwerdeführer die einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogene Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Zeugin Jasmin H***** mit Bezugnahme auf vom Erstgericht mitberücksichtigte Verfahrensergebnisse bekämpft („wird vom Gericht damit weggewischt“), verkennt sie den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen (RIS Justiz RS0106588).
Gleiches gilt, wenn der Rechtsmittelwerber Spekulationen zum Aussagemotiv der Zeugin anstellt.
Fragen zur kreativen Fantasie und einer Strategie von geistig leicht Behinderten bzw zu deren Wissen über sexuelle Vorgänge betreffen keine aufklärungsbedürftigen Tatsachen (RIS Justiz RS0106268, RS0099497; Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 ff). Im Übrigen legt die eine Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung behauptende Rüge nicht dar, wodurch der Rechtsmittelwerber selbst an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS Justiz RS0114036, RS0115823; Ratz WK StPO § 281 Rz 480).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).
Die (trotz Zustellung einer Urteilsausfertigung unter Aktenanschluss [ON 1 S 13] unausgeführt gebliebene) Berufung der Staatsanwaltschaft war hingegen als unzulässig gemäß § 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO zurückzuweisen, weil der Anmeldung des Rechtsmittels (unmittelbar nach Urteilsverkündung) keine Festlegung über die Richtung der Sanktionsanfechtung (zugunsten oder zum Nachteil) zu entnehmen war (RIS Justiz RS0100560).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.