JudikaturOGH

10ObS139/11f – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. H***** G*****, Pensionist, *****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pensionshöhe, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Oktober 2008, GZ 11 Rs 103/08h 10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Juni 2008, GZ 10 Cgs 101/08p 6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das am 9. 2. 2010 unterbrochene Revisionsverfahren wird von Amts wegen wieder aufgenommen.

II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich seines bestätigten Teils insgesamt zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger eine Alterspension in der Höhe von 103,54 EUR brutto monatlich ab 1. 1. 2008 mit den seither erfolgten Pensionsanpassungen abzüglich bereits geleisteter Zahlungen zu zahlen, und zwar die bisher fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fällig werdenden Beträge monatlich im Nachhinein am Ersten des Folgemonats.

2. Das auf Zahlung einer höheren Pensionsleistung gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters die mit 744,19 EUR (darin enthalten 124,03 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters die mit 913,49 EUR (darin enthalten 152,25 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 14. 4. 1938 geborene Kläger bezog von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt im Jahr 2007 eine ASVG-Alterspension in Höhe von 100,71 EUR brutto monatlich. Infolge Bezugs einer Leistung aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung hatte er weder im Jahr 2007 noch im Jahr 2008 Anspruch auf Ausgleichszulage.

Mit Bescheid vom 20. 2. 2008 stellte die beklagte Partei fest, dass die monatliche Bruttopension des Klägers ab 1. 1. 2008 um 1,7 % erhöht werde und demnach 102.42 EUR brutto monatlich betrage.

Die dagegen erhobene Klage ist auf Zahlung einer Pension in Höhe von 121,71 EUR brutto monatlich ab 1. 1. 2008 gerichtet; dieser Betrag bilde die Ausgangsbasis für weitere Pensionserhöhungen. Der Kläger habe Anspruch auf Pensionserhöhung um 21 EUR brutto oder zumindest um 2 % statt 1,7 %. Die in § 634 Abs 10 ASVG normierte Regelung, wonach höhere Pensionen eine höhere Aufwertung erführen als solche unter 747 EUR monatlich, sei verfassungs- und EU-rechtswidrig. Nach EU-Recht stehe dem Kläger eine monatliche Pension von 103,34 EUR (= Erhöhung um 2,63 EUR statt 1,71 EUR) zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens unter Hinweis auf die geltende Rechtslage.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, ohne den Inhalt des angefochtenen Bescheids zu wiederholen.

Im Zuge der Pensionsanpassung für das Jahr 2008 wurden folgende Maßnahmen getroffen:

1. Der Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende PensionsbezieherInnen wurde von 726 EUR auf 747 EUR (= 2,9 %) und für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten von 1.091,14 EUR auf 1.120 EUR (= 2,6 %) erhöht.

2. Weiters sieht die Pensionsanpassung 2008 eine Erhöhung

a) für Personen bis zum Ausgleichszulagenrichtsatz (dh bis nunmehr 746,99 EUR monatlich) um 1,7 % (= Anpassungsfaktor),

b) für Pensionen über 746,99 EUR bis 1.050 EUR monatlich um einen Fixbetrag von 21 EUR monatlich (= 2,81 % bis 2 %),

c) für Pensionen über 1.050 EUR bis 1.700 EUR monatlich um 2 %,

d) für Pensionen über 1.700 EUR bis 2.161,50 EUR monatlich zwischen 2 % und 1,7 % (linear abfallend) und

e) für Pensionen über 2.161,50 EUR monatlich um den Fixbetrag von 36,75 EUR monatlich vor.

Laut Rechtsbeurteilung des Erstgerichts sei die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Pensionsanpassung 2008 zu verneinen. Der Kläger habe gar nicht behauptet, dass es selbst mit Berücksichtigung der für das Jahr 2008 vorgesehenen Erhöhung der deutschen Rente zu betragsmäßigen Unterschieden komme. Da er somit durch den Umstand, dass die österreichische Pension und wohl auch die deutsche Rente jeweils nach den nationalen Rechtsvorschriften erhöht würden, keine Vergünstigung verliere, sei die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger ab 1. 1. 2008 die Pension in der bescheidmäßig zuerkannten Höhe von monatlich brutto 102,42 EUR auszuzahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung einer Pension in Höhe von 121,71 EUR brutto wies es ab. Entgegen der Ansicht des Klägers habe der vorliegende Fall „keine europarechtliche Dimension“. Es seien nicht nur männliche Pensionisten betroffen. Es liege keine Verletzung der RL 79/7 (EWG) vor. Die ordentliche Revision sei jedoch zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Pensionsanpassung 2008 fehle.

Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und teilweise auch berechtigt.

Der Revisionswerber wiederholt für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des § 634 Abs 10 ASVG nicht als verfassungswidrig erachten sollte auch in den Rechtsmittelausführungen seine Bedenken gegen die Gemeinschaftsrechtskonformität in Bezug auf Wanderarbeitnehmer. Durch die Pensionserhöhung 2008 seien erstmals die niedrigsten Einkommen auch prozentuell am Geringsten erhöht worden. Hätte der Kläger sein gesamtes Erwerbsleben in Österreich verbracht, hätte er also nur eine österreichische Pension im Umfang der beiden bestehenden österreichischen und deutschen Teilpensionen bezogen, wäre seine österreichische Pension durch die außerordentliche Pensionserhöhung 2008 stärker erhöht worden. Um eine unzulässige Benachteiligung von Wanderarbeitnehmern in ihrem Freizügigkeitsrecht zu verhindern, sei es daher erstmals notwendig, auch die ausländische Pension in die Berechnung der Erhöhung der österreichischen Pension einzubeziehen.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Der erkennende Senat hat die für den vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage bereits in seinem im gegenständlichen Verfahren ergangenen Beschluss vom 17. 3. 2009 (10 ObS 10/09g) und dem im Parallelverfahren 10 ObS 178/09p ergangenen Beschluss vom 9. 2. 2010 näher dargelegt, sodass auf diese Ausführungen verwiesen werden kann.

2. Der Verfassungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 24. 9. 2009, G 36/09 ua, den Antrag des Obersten Gerichtshofs, die die Pensionsanpassung für das Jahr 2008 betreffenden Bestimmungen des ASVG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und gegen die Eigentumsgarantie als verfassungswidrig aufzuheben, zurück, wobei er die in diesem Antrag und auch die in den anderen inhaltsgleichen Gesetzesprüfungsanträgen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken auch inhaltlich nicht teilte.

3. Der Oberste Gerichtshof hat in dem im Parallelverfahren ergangenen Beschluss vom 1. 2. 2011, 10 ObS 188/10k, den Revisionsausführungen des Klägers unter Hinweis auf die maßgebende Rechtslage, Lehre und Rechtsprechung bereits im Wesentlichen entgegengehalten, dass sich die Höhe der Pensionserhöhung im Fall von ehemaligen Wanderarbeitnehmern, die neben einer österreichischen Teilpension auch eine ausländische Rente beziehen, ausschließlich nach der Höhe der österreichischen Pensionsleistung richtet. Dadurch kann es zu einer Benachteiligung von Wanderarbeitnehmern gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern kommen, die ihr gesamtes Erwerbsleben in Österreich verbracht haben und deren höhere Pension infolge einer gestaffelten Pensionserhöhung (hier: für 2008) prozentuell stärker erhöht werden als die geringere - unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegende - österreichische Teilpension des Wanderarbeitnehmers. Eine solche mögliche Benachteiligung ist eine Folge des Fehlens eines gemeinschaftlichen Sozialversicherungssystems bzw der mangelnden Vereinheitlichung der bestehenden nationalen Sozialversicherungssysteme. Die vom Kläger begehrte Einbeziehung seiner deutschen Pensionsleistung bei der außerordentlichen Pensionserhöhung 2008 kommt somit nicht in Betracht.

3.1 Der Senat hat aber in diesem Beschluss vom 1. 2. 2011, 10 ObS 188/10k, auch darauf hingewiesen, dass der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 9. 2. 2010 in der vergleichbaren, ebenfalls die Pensionsanpassung 2008 betreffenden Sozialrechtssache 10 ObS 178/09p dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung der RL 79/7/EWG zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft Fragen im Zusammenhang mit einer möglichen mittelbaren Diskriminierung weiblicher Kleinstpensionsbezieherinnen mit Pensionen unter dem damaligen Ausgleichszulagenrichtsatz von 747 EUR monatlich durch die außerordentliche Pensionserhöhung 2008. Sollte sich das mit dem Begehren des Klägers im vorliegenden Fall inhaltlich übereinstimmende Begehren dieser weiblichen Kleinstpensionsbezieherinnen nach einer über das gesetzlich vorgesehene Ausmaß hinausgehenden Pensionserhöhung für 2008 nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH letztlich als berechtigt erweisen, wird auch bei männlichen Kleinstpensionsbeziehern wie dem Kläger zur allfälligen Vermeidung einer unzulässigen Diskriminierung auf das Ergebnis dieses Vorabentscheidungsverfahrens gegebenenfalls Bedacht zu nehmen sein.

3.2 Da die im Vorabentscheidungsersuchen gestellten Fragen auch für den hier zu beurteilenden Fall maßgeblich sein können, hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 9. 2. 2010, 10 ObS 10/09g, auch das Revisionsverfahren im gegenständlichen Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH über den im Verfahren 10 ObS 178/09p gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

4. Mit Urteil vom 20. 10. 2011, Rs C 123/10, Brachner , hat der EuGH auf die ihm vom Obersten Gerichtshof im Verfahren 10 ObS 178/09p vorgelegten Fragen zu Recht erkannt:

„1. Art 3 Abs 1 der RL 79/7/EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass ein System der jährlichen Pensionsanpassung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende in den Geltungsbereich dieser Richtlinie und damit unter das Diskriminierungsverbot in Art 4 Abs 1 der Richtlinie fällt.

2. Art 4 Abs 1 der RL 79/7 ist dahin auszulegen, dass das vorlegende Gericht in Anbetracht der ihm unterbreiteten statistischen Daten und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu der Annahme berechtigt wäre, dass diese Bestimmung einer nationalen Regelung entgegensteht, die dazu führt, dass ein erheblich höherer Prozentsatz weiblicher als männlicher Pensionsbezieher von einer außerordentlichen Pensionserhöhung ausgeschlossen wird.

3. Art 4 Abs 1 der RL 79/7 ist dahin auszulegen, dass falls das vorlegende Gericht im Rahmen der von ihm zur Beantwortung der zweiten Frage vorzunehmenden Prüfung zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der Ausschluss der Kleinstpensionen von der außerordentlichen Erhöhung, die die im Ausgangsverfahren fragliche Anpassungsregelung vorsieht, tatsächlich geeignet war, einen erheblich höheren Prozentsatz weiblicher als männlicher Pensionsbezieher zu benachteiligen diese Benachteiligung weder mit dem früheren Pensionsanfallsalter erwerbstätiger Frauen noch mit der bei ihnen längeren Bezugsdauer der Pension oder damit gerechtfertigt werden kann, dass auch der Ausgleichszulagenrichtsatz für das Jahr 2008 überproportional erhöht wurde.“

5. Nach Vorliegen dieses Urteils ist das im gegenständlichen Verfahren unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen.

5.1 Der Oberste Gerichtshof hat im Sinne der bindenden Rechtsansicht des EuGH davon auszugehen, dass ein System der jährlichen Pensionsanpassung wie das im gegenständlichen Verfahren zu beurteilende System der Pensionsanpassung 2008 in den Geltungsbereich der RL 79/7/EWG und damit unter das Diskriminierungsverbot in Art 4 Abs 1 dieser Richtlinie fällt. Weiters kann der Oberste Gerichtshof davon ausgehen, dass das Diskriminierungsverbot der Richtlinie 79/7/EWG der nationalen Regelung des § 634 Abs 10 ASVG entgegensteht, die die Kleinstpensionen (unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz von 747 EUR) geringer erhöht als höhere Pensionen und daher im Ergebnis dazu führt, dass ein erheblich höherer Prozentsatz weiblicher als männlicher Pensionsbezieher von einer außerordentlichen Pensionserhöhung ausgeschlossen wird. Weiters ist aufgrund der vorliegenden statistischen Daten davon auszugehen, dass der Ausschluss der Kleinstpensionen von der außerordentlichen Erhöhung tatsächlich geeignet war, einen erheblich höheren Prozentsatz weiblicher als männlicher Pensionsbezieher zu benachteiligen und diese Benachteiligung weder mit dem früheren Pensionsanfallsalter erwerbstätiger Frauen noch mit der bei ihnen längeren Bezugsdauer der Pension oder damit gerechtfertigt werden kann, dass auch der Ausgleichszulagenrichtsatz für das Jahr 2008 überproportional erhöht wurde. Da auch sonstige sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Kleinstpensionen und höheren Pensionen nicht ersichtlich sind, gelangt der erkennende Senat zu dem Ergebnis, dass die im Rahmen der Pensionsanpassung 2008 vorgesehene, geringere Anhebung der Kleinstpensionen eine wesentliche Benachteiligung weiblicher Personen darstellt, die nicht durch einen objektiven Grund sachlich gerechtfertigt ist.

5.2 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist eine nationale Regelung, die gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung nach Art 4 Abs 1 RL 79/7/EWG verstößt, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten sind daher gehalten, die betreffende Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ohne dass ihre vorherige Aufhebung durch den Gesetzgeber beantragt oder abgewartet werden müsste. Die Wahl der zur Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu treffenden Maßnahmen ist dabei grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten. Daher kann die Ungleichbehandlung sowohl durch Ausdehnung der Vergünstigung auf die bisher ausgeschlossene Personengruppe als auch durch Abschaffung der Vergünstigung insgesamt beseitigt werden. Solange von dem betreffenden Mitgliedstaat keine mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmende Regelung erlassen worden ist, kann nach Ansicht des EuGH der Gleichheitssatz nur dadurch gewahrt werden, dass die Vergünstigungen, die die Mitglieder der begünstigten Gruppe erhalten, auch auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe erstreckt werden und diese nunmehr in dieses Leistungssystem einbezogen werden. Dabei bleibt die RL 79/7/EWG das einzig gültige Bezugssystem für die Gleichbehandlung. In diesem Sinne ist das nationale Gericht gehalten, die diskriminierende nationale Regelung außer Anwendung zu lassen und auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe jene Regelung anzuwenden, die für die Mitglieder der anderen Gruppe gilt (vgl dazu EuGH Rs 384/85, Borrie Clarke , Slg 1987, 2865; Rs C 184/89, Helga Nimz , Slg 1991, I 00297 uva).

5.3 Die Bestimmung des § 634 Abs 10 ASVG ist, wie bereits dargelegt wurde, insoweit als mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar zu erachten, als jene Pensionen, deren Höhe die Grenze von 746,99 EUR nicht überschreitet, von der sozial gestaffelten Anpassung ausgeschlossen werden. Solange der österreichische Gesetzgeber nicht in entsprechender Form tätig wird und die bestehende Ungleichbehandlung durch allgemeine oder besondere Maßnahmen beseitigt, hat die Anwendung des § 634 Abs 10 ASVG durch die nationalen Gerichte daher in dem Umfang zu unterbleiben, in dem weiblichen Kleinstpensionsbeziehern die außerordentliche Anpassung ihrer Pensionsleistung verwehrt wird, und ist auf die betreffende Personengruppe eben jene Regelung anzuwenden, die auch für die Mitglieder der begünstigten Gruppe, das heißt für die Bezieher einer Pension in einer Höhe über 746,99 EUR bis 1.050 EUR gilt. Die Pension dieser Gruppe wurde um einen Fixbetrag von 21 EUR monatlich (entspricht einer prozentuellen Erhöhung von 2,81 % bis 2 %) erhöht. Die Pension der Frauen, die eine Pension unter 747 EUR monatlich erhalten haben, ist daher um 2,81 % (wie eine Pension im Ausmaß von 747 EUR im Sinne einer Umrechnung des Fixbetrags in einen Prozentsatz) zu erhöhen.

5.4 Nichts anderes kann aber nach Ansicht des erkennenden Senats für Männer gelten, die wie der Kläger eine Pension ebenfalls unter 747 EUR monatlich erhalten haben und sich daher in der gleichen Lage wie weibliche Kleinstpensionsbezieherinnen befinden. Auch sie haben aufgrund des Art 4 Abs 1 RL 79/7/EWG Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie Frauen, die sich in der gleichen Lage befinden. Andernfalls käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von männlichen Kleinstpensionsbeziehern, welche auch zu dem allgemeinen Grundsatz, dass die zuständigen Organe, noch bevor der Gesetzgeber tätig wird, für eine gemeinschaftskonforme Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts sorgen müssen, im Widerspruch stünde.

5.5 Es ist daher auch die Pension des Klägers ab 1. 1. 2008 um 2,81 % zu erhöhen. Der vom Kläger begehrte Zuspruch einer Pension in Höhe von 121,71 EUR würde hingegen eine Erhöhung seiner Pension um 20,85 % entsprechen. Die Pension des Klägers beträgt daher ab 1. 1. 2008 103,54 EUR brutto monatlich. In diesem Umfang erweist sich sein Klagebegehren als berechtigt, während das Mehrbegehren abgewiesen werden musste.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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