JudikaturOGH

5Ob214/11y – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. November 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, geboren am *****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei H*****, geboren am *****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Bertram Grass, Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 21. Juni 2011, GZ 3 R 173/11f 18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin releviert, dass das Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe überwiege, was die Vorinstanzen auszusprechen gehabt hätten, und macht damit ausschließlich Fragen der Verschuldenszumessung zum Gegenstand ihres Rechtsmittels.

2.1 Die Verschuldenszumessung bei einer Scheidung erfolgt stets nach den Umständen des Einzelfalls und begründet von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0119414; RS0110837; RS0118125).

2.2 Bei der Beurteilung des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten sind alle Umstände zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen (RIS Justiz RS0057303). Dabei ist der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens nur dann zulässig, wenn ein erheblicher gradueller Unterschied zwischen den beiderseitigen Eheverfehlungen augenscheinlich hervortritt (RIS Justiz RS0057821). Weil das überwiegende Verschulden, insbesondere hinsichtlich der Scheidungsfolgen, dem alleinigen Verschulden gleichgestellt wird, ist ein strenger Maßstab anzulegen (LGZ Wien EFSlg 111.244). Ein überwiegendes Verschulden ist daher anders als im allgemeinen Sprachgebrauch nicht schon bei mehr als 50 % Überwiegen anzunehmen, sondern erst dann, wenn das Verhalten der Gegenseite wertungsmäßig fast völlig in den Hintergrund tritt (RIS Justiz RS0057821 [T1]).

3. Der Kommunikationsabbruch nach der Auseinandersetzung im August 2008 geht nach den Feststellungen nicht nur auf den Beklagten, sondern auf beide Streitteile zurück. Damit hat aber auch die Klägerin einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, dass eine Versöhnung praktisch ausgeschlossen war. Das vom Berufungsgericht als Verschulden gewürdigte einseitige Abgehen der Klägerin in maßgeblichen Bereichen der bisherigen einvernehmlichen Lebensgestaltung ist Ausdruck des von ihr mitzuverantwortenden Kommunikationsdefizits und ihres zunehmenden Desinteresses am Fortbestehen der ehelichen Gemeinschaft. Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beklagte die nach Ansicht der Revision entscheidende Auseinandersetzung im August 2008 verursacht haben mag, liegt daher in der Annahme des Berufungsgerichts, das von der Klägerin danach zu Tage gelegte Verhalten stehe dem Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten entgegen, keine vom Obersten Gerichtshof im Sinne der oben dargestellten Judikatur aufzugreifende und damit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

Der Revision der Klägerin gelingt es daher nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen, sodass ihr Rechtsmittel zurückzuweisen ist.

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