JudikaturOGH

15Os63/11w – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen DI Harald T***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 27. Jänner 2011, GZ 18 Hv 199/10p 45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI Harald T***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in der Zeit vom 9. Jänner 2009 bis 16. Jänner 2009 in Klagenfurt als Leiter der Abteilung *****, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, die Republik Österreich bzw das Land Kärnten sowie die betroffenen Bürger an dem konkreten Recht auf ordnungsgemäße Umsetzung von verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz vor Feinstaubbelastung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes bzw des Landes Kärnten als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er es unter bewusster Verletzung der Bestimmung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L), der Verordnung des Landeshauptmanns vom 10. Jänner 2006 (PM10-Maßnahmenkatalog Klagenfurt) und den zwischen dem Amt der Kärntner Landesregierung und dem Magistrat der Stadt Klagenfurt in Umsetzung der Verordnung des Landeshauptmanns vom 10. Jänner 2006 (PM10-Maßnahmenkatalog Klagenfurt) getroffenen Vereinbarungen vom 30. Jänner 2006 und 22. Jänner 2008 unterlassen hat, die für die Umsetzung der Maßnahmen gemäß der Verordnung des Landeshauptmanns vom 10. Jänner 2006 (PM10 Maßnahmenkatalog Klagenfurt) zuständige Behörde und Straßenhalter, und zwar das Amt der Kärntner Landesregierung, Abteilung Straßenbau, bzw DI Volker B*****, davon zu verständigen, dass der PM10 Tagesmittelwert den Immissionsgrenzwert von 50 μg/m³ an zumindest fünf aufeinanderfolgenden Tagen überschritten hatte und aufgrund meteorologischer Parameter eine hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass der genannte Grenzwert auch danach überschritten würde, sodass als Folge der Unterlassung durch das Amt der Kärntner Landesregierung, Abteilung Straßenbau, bzw DI Volker B***** kein Fahrverbot für diesel oder benzinbetriebene Kraftfahrzeuge innerhalb des auf der Völkermarkter Straße gelegenen Abschnitts zwischen Kreuzung Alois Schader Straße und Kreuzung Enzenbergstraße täglich in der Zeit zwischen 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr veranlasst werden konnte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den auf die mangelnde Erweislichkeit eines beim Angeklagten vorliegenden Schädigungsvorsatzes gegründeten Freispruch (US 19 f, 22 ff, 27) gerichtete, auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verfehlt ihr Ziel.

Die Mängelrüge wendet sich gegen die tatrichterliche Feststellung, wonach der auszugsweise vorgelegte Endbericht der Technischen Universität Graz bestätige, dass die teilweise Sperre der Völkermarkter Straße nicht zu einer wirkungsvollen Reduktion von Feinstaub führe und der einzige Grund zur Aufnahme dieses Passus in den PM10-Maßnahmenkatalog (gemeint: Fahrverbot gemäß § 2 Abs 1 lit c iVm Abs 2 lit a der Verordnung des Landeshauptmanns vom 10. Jänner 2006 [US 6]) darin bestanden habe, der Stadt Klagenfurt, die ursprünglich zu Maßnahmen gegen Feinstaubbelastung nicht bereit gewesen sei, sozusagen „die Rute ins Fenster zu stellen“ (US 13). Dem Vorwurf unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Aussage des Zeugen Dr. Wolfgang H*****, wonach „aber auch“ (im Übrigen nicht näher konkretisierte) fachliche Gründe für diese Maßnahme gesprochen hätten (ON 49 S 20), sehr wohl in seine Überlegungen mit einbezogen, ist ihr jedoch unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden schon deshalb nicht gefolgt, weil es durchaus nachvollziehbar sei, dass die wahre Motivation für die Aufnahme dieses Passus vom Land Kärnten gegenüber der Stadt Klagenfurt nicht kommuniziert, die Wirkungslosigkeit der Maßnahme durch den (zwischenzeitig, nämlich seit Oktober 2007 vorliegenden) Endbericht der Technischen Universität Graz erwiesen und die Darstellung des Angeklagten im Ergebnis auch durch den Zeugen DI Ferdinand S***** bestätigt worden sei (US 23 f).

Der Einwand, auch der Amtsvortrag zur seinerzeit geltenden Verordnung enthalte eine fachliche Begründung, wird unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht der Verfahrensordnung entsprechend ausgeführt, weil er die Behauptung des Fehlens einer Erörterung dieses Schriftstücks nicht durch deutlichen Hinweis auf konkrete Aktenstellen darlegt (RIS Justiz RS0124172). Im Übrigen ging das Erstgericht bloß davon aus, der Passus sei ursprünglich nicht aus fachlichen Gründen in den Maßnahmenkatalog aufgenommen worden (US 13 letzter Absatz), und hat damit eine anschließend erfolgte fachliche Begründung nicht ausgeschlossen. Vor allem aber ließe auch eine zum Zeitpunkt der Erlassung der in Rede stehenden Verordnung gegebene wissenschaftliche Fundierung der Maßnahme, insbesondere angesichts des zwischenzeitigen Vorliegens des Endberichts der Technischen Universität Graz und des dem Angeklagten im Jänner 2009 bekannten und in der Folge auch umgesetzten Vorhabens, eine immissionsbedingte Sperre der Völkermarkter Straße aufzuheben (vgl US 12, 14 f, 22 f), keine Rückschlüsse auf dessen allfälligen Schädigungsvorsatz im Deliktszeitraum zu.

Weshalb dem Umstand, dass es sich beim Zeugen Dr. H***** um „eine sachverständige Person mit einem dem Angeklagten gleichen Ausbildungsstand“ handle, erhebliche Bedeutung zukommen sollte, macht die Rüge nicht deutlich.

Der weiters behauptete Widerspruch zwischen der Feststellung, die teilweise Sperre der Völkermarkter Straße führe nicht zu einer wirkungsvollen Reduktion von Feinstaub (US 13 letzter Absatz), und der weiteren Konstatierung, die verkehrsbedingten PM10-Immissionen könnten im Falle der Sperre an der Völkermarkter Straße um bis zu 20 μg/m³ im Tagesmittel reduziert werden (US 12 letzter Absatz), liegt nicht vor, weil die Rüge (Z 5 dritter Fall) die zuletzt bezeichnete Urteilspassage sinnentstellend aus dem Zusammenhang löst, bringt das Schöffengericht doch unmissverständlich den relevanten Kernbereich des Endberichts der Technischen Universität Graz korrekt zur Darstellung, wonach durch die ins Auge gefasste Straßensperre zwar eine Schadstoffreduktion an der Völkermarkter Straße, insgesamt aber aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens und der Mehrbelastung entlang der Ausweichrouten keine Emissionsreduktion und auch keine Verbesserung der Immissionssituation im Klagenfurter Verkehrsnetz erzielt werden könne (US 12 f).

Die Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, das Erstgericht sei bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 584). Auch die Behauptung von Feststellungsmängeln kann nur unter Zugrundelegung aller tatsächlichen Urteilsannahmen erfolgen und erfordert die Darlegung, dass Verfahrensergebnisse auf bestimmte rechtlich erhebliche Umstände hingewiesen haben und dessen ungeachtet eine entsprechende klärende Feststellung unterlassen wurde (RIS Justiz RS0099689).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a), gestützt auf eigenständige Beweiswerterwägungen, aus den Aussagen der Zeugen Dr. Wolfgang H***** (S 20 in ON 44) und DI Volker B***** (S 24 in ON 44), wonach im Falle der verordneten Sperre der Völkermarkter Straße Maßnahmen angedacht gewesen seien, den Verkehr großräumig auf Entlastungsstraßen zu verlagern, der Abbildung 59 über die Auswirkung der Sperre der Völkermarkter Straße (Blg ./1 der ON 41) und dem Endbericht der Technischen Universität Graz (Auszug in Blg ./1 der ON 41) im Ergebnis den Schluss zieht,„bei realitätsnaher Beweiswürdigung“ sei keineswegs klar von einer verschlechterten Feinstaubbelastung der betroffenen Bürger im Sanierungsgebiet auszugehen, woraus der Schluss eines zumindest bedingten Schädigungsvorsatzes des Angeklagten ableitbar gewesen wäre, wird sie diesen Anforderungen nicht gerecht, weil sie sich nicht an der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen orientiert, wonach der Angeklagte in Kenntnis des Endberichts der Technischen Universität Graz infolge großzügiger Interpretation seiner Handlungspflicht einen gewissen zeitlichen Spielraum zur Umsetzung der verordneten Maßnahme annahm, Sinn und Zweck des PM10 Maßnahmenkatalogs nicht vereiteln wollte und demnach ohne Schädigungsvorsatz handelte (US 19 f).

Soweit die Rechtsrüge die Feststellung begehrt, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass der Leiter der Abteilung Straßenbau beim Amt der Kärntner Landesregierung, DI Volker B*****, im Falle einer entsprechenden Verständigung die Sperre der Völkermarkter Straße auch umgesetzt hätte, genügt der Hinweis, dass die Tatrichter eine derartige Situationsbeurteilung durch den Angeklagten ohnehin annahmen und daraus wissentlichen Befugnismissbrauch ableiteten (US 11 erster Absatz, 19 vorletzter Absatz).

Der Einwand, „in der Missachtung der Verfahrensvorschriften in ihrer Gesamtheit liege eine tatbildmäßige, vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommene Schädigung im Sinne des § 302 Abs 1 StGB“, übergeht neuerlich die dargestellten Konstatierungen zum Fehlen eines Schädigungsvorsatzes (US 19 f, 27) und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Rückverweise