12Os109/11p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Lucas T***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Mai 2011, GZ 112 Hv 174/10v 52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Lucas T***** vom Vorwurf, er habe im Oktober 2006 in Wien mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Gerald S***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit und die Erklärung, die Geldsumme als Darlehen zu benötigen, zur Zahlung von 139.590 Euro, somit zu einer Handlung verleitet, welche die Gerald S***** Sohn GmbH um einen 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.
Schon soweit sie (mit dem Hinweis „ON 51, AS 77“) von einem Antrag des Verteidigers ausgeht (der auf Vernehmung des Zeugen Gerald S***** gerichtet war), ist sie nicht an der Prozessordnung orientiert: Der Nichtigkeitsgrund nach Z 4 setzt stets eine Befassung des Schöffengerichts durch den Beschwerdeführer voraus. Dass sich die Staatsanwaltschaft dem Antrag des Verteidigers angeschlossen hätte, geht aus dem Protokoll der Hauptverhandlung nicht hervor ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 304, 306; RIS-Justiz RS0099244, vgl auch RS0099328).
Die von der Staatsanwaltschaft gestellten Anträge, auf welche die Verfahrensrüge rekurriert („ON 41, AS 5 und AS 79“ ersichtlich gemeint: ON 51 S 5 und 79 sowie ON 51 S 77), enthielten kein Beweisthema :
Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte in der Hauptverhandlung nach Vortrag der Anklageschrift (ON 31), sie beantrage „wie dort“ (ON 51 S 5). In der Anklageschrift war ohne Beweisthema die Vernehmung von vier Zeugen beantragt worden, darunter die des in der Beschwerde (unter Punkt 1) genannten Gerald S***** (ON 31 S 2). Indem die Sitzungsvertreterin in der Hauptverhandlung nach Schluss des Beweisverfahrens festhielt, dass auf die Einvernahme (unter anderem) des Zeugen Gerald S***** „nicht verzichtet wurde“ (ON 51 S 79), stellte sie übrigens gar keinen Antrag ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 313).
Die Vernehmung des Zeugen Peter Sc***** betreffend erklärte sie gleichfalls bloß, den „Antrag wie in der Anklageschrift“ demnach ohne Beweisthema (ON 31 S 2) aufrecht zu erhalten (ON 51 S 77).
Beweisanträgen (§§ 238 Abs 1, 55 Abs 1 und Abs 2 StPO) muss jedoch nach der Prozessordnung ein Beweisthema zu entnehmen sein (RIS-Justiz RS0099498, RS0099301, RS0099132).
Dem dazu in der Beschwerdeausführung Nachgetragenen steht das Neuerungsverbot im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde entgegen (RIS-Justiz RS0099117, RS0099618; vgl Ratz , WK-StPO Vor §§ 280-296a Rz 15, § 281 Rz 325).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).