14Os93/11z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ferenc D***** wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Mai 2011, GZ 021 Hv 8/11i 48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ferenc D***** der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 2 (zu ergänzen: erster Fall) StGB (A/I) und der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall und Z 3 dritter Fall StGB (A/II) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er
(A) Maria N***** und Edit B*****
(I) in N***** und anderen Orten in Ungarn zwischen 18. und 25. November 2010 mit dem Vorsatz, dass sie in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen und ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, der Prostitution nachgehen, durch die Vorspiegelung, ihnen in Wien eine Anstellung als Reinigungskräfte in einem Hotel zu vermitteln, somit durch Täuschung über dieses Vorhaben verleitet, sich in einen anderen Staat zu begeben;
(II) am 25. November 2010 in W***** durch die Äußerung, er werde ihnen die Kehle durchschneiden, wenn sie nicht für ihn als Prostituierte arbeiten, wobei er Maria N***** ein Messer an den Hals hielt, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod und mit Gewalt, und zwar durch Versetzen eines Faustschlags gegen das Kinn der Maria N*****, zu Handlungen, nämlich der Prostitutionsausübung, zu nötigen versucht;
(B) am 25. November 2010 in W***** Maria N***** durch Versetzen eines Faustschlags gegen das Kinn, der eine Kieferprellung zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen auf die Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Der gegen den Schuldspruch B gerichteten Rüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider ist der von den Tatrichtern aus dem Versetzen eines wuchtigen Faustschlags gegen das Kinn (US 5) gezogene Schluss auf die subjektive Tatseite des Angeklagten (US 8) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht prozessordnungswidrig die Urteilsannahmen, wonach die von den Schuldsprüchen A/II und B erfassten Nötigungs- und Körperverletzunghandlungen nach Vollendung des mittels Täuschung bewirkten Grenzübertritts erfolgten (US 5). Solcherart macht sie aber nicht deutlich, aus welchem Grund nach §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall und Z 3 dritter Fall StGB sowie nach § 83 Abs 1 StGB subsumierbare Taten regelmäßig mit einer nach § 217 Abs 2 erster Fall StGB beurteilten Haupttat verbunden sein und demnach aufgrund des Scheinkonkurrenztypus der Konsumtion (vgl dazu Ratz in WK 2 Vorbem zu §§ 28 31 Rz 58 ff) verdrängt werden sollen (zur Konsumtion der §§ 105 f StGB durch § 217 Abs 2 StGB [nur] in Ansehung von typischen Begleittaten Philipp in WK 2 § 217 Rz 34; vgl auch RIS-Justiz RS0123442). Ebenso verlässt die weitere Beschwerde den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, indem sie ohne Ableitung aus dem Gesetz behauptet, Z „1 und 3“ des § 106 Abs 1 StGB stünden „im Zusammenhang mit § 217 Abs 2 StGB“ im Verhältnis scheinbarer Idealkonkurrenz.
Damit erübrigt sich aber auch ein Eingehen auf den aus den Überlegungen des Beschwerdeführers zur angeblichen Scheinkonkurrenz der angesprochenen strafbaren Handlungen abgeleiteten Vorwurf (Z 11 zweiter Fall), die aggravierende Wertung mehrerer Verbrechen und eines Vergehens verstoße gegen das „Mehrfachverwertungsverbot“. Mit seiner weiteren Kritik an der Strafzumessung erstattet der Beschwerdeführer lediglich ein Berufungsvorbringen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die „in eventu“ ausgeführte Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.