JudikaturOGH

14Os86/11w – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Esther F***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 28. Februar 2011, GZ 11 Hv 146/10i 64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Esther F***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in der Nacht zum 16. November 2010 in Judenburg an einer fremden Sache, nämlich an dem im Eigentum der Sonja S***** stehenden Wohnhaus mit der Anschrift *****, ohne Einwilligung der Eigentümerin eine Feuersbrunst verursacht, wobei die Tat den Tod von zwei Menschen, nämlich der minderjährigen Esther F*****, geboren am 24. Mai 2004, und des minderjährigen Enrico F*****, geboren am 9. Oktober 2002, zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft unter Darlegung eigener Beweiswerterwägungen insgesamt bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter, die die entscheidenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus der objektiven Tatbegehung erschlossen (vgl RIS Justiz RS0116882, RS0098671) und zudem die allgemeine Lebenserfahrung erwachsener Menschen, das vereinzelte Zugeständnis der Angeklagten in der Hauptverhandlung und das gegenüber den eigenen Kindern ausgesprochene Zündelverbot in ihre Überlegungen mit einbezogen haben. Dabei war gerade die Tatsache, dass die Angeklagte das von ihr entzündete Handtuch nicht unverzüglich von der Couch entfernte, sondern dem sich entwickelnden Feuer zusah, ausschlaggebend für die Verwerfung ihrer Angaben, sie habe bloß das Handtuch verbrennen wollen, ein größeres Schadensfeuer nicht in Kauf genommen und die Gefahr für die im Obergeschoß schlafenden Kinder nicht vorhergesehen, (US 14 und 16).

Soweit den tatrichterlichen Erwägungen, wonach die Angeklagte ihr Zugeständnis „später über Befragen durch den Verteidiger wieder zu relativieren versuchte“ (US 14), urteilsfern ein „erst“ hinzugefügt wird, wird Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) nicht aufgezeigt. Im Übrigen haben die Tatrichter die einen Vorsatz leugnende primäre Verantwortung der Angeklagten als Schutzbehauptung gewertet (US 14), womit sie ohnedies davon ausgegangen sind, dass die Angeklagte nicht „erst“ über Befragen des Verteidigers, sondern schon davor leugnete, die Feuersbrunst vorsätzlich herbeigeführt zu haben.

Ebenso wenig wird mit dem Hinweis auf einzelne Passagen im Gutachten des brandtechnischen Sachverständigen Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erfolgreich reklamiert. Denn die in diesem Zusammenhang kritisierte Annahme des Erstgerichts, dass ein erwachsener Mensch (mit durchschnittlichem Gefahrenbewusstsein) sehr wohl in Kauf nimmt, ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass das Anzünden eines auf einer Samtcouch ausgebreiteten Handtuchs in einen Wohnungsbrand mit schwerem Verlauf und Rauchgasentwicklung übergehen kann (US 14), war gar nicht Gegenstand des ausschließlich technische Fragestellungen behandelnden Gutachtens.

Davon abgesehen haben die Tatrichter festgestellt, dass sich die Couch etwa zwei Minuten nachdem die Angeklagte den vom Sofa herabhängenden Bereich des Handtuchs angezündet hatte, in einem Glimmbrand entzündete und nicht mit offener Flamme abbrannte, sondern ein Glimmbrand im Bereich der Dämm- und Füllmaterialien entstand, der nicht mit einfachen Mitteln gelöscht werden konnte. Zudem haben sie konstatiert, dass der Brand zunächst von außen (als nämlich ein Dienstfahrzeug der PI Judenburg das Wohnhaus passierte; US 10) nicht wahrnehmbar war, ohne jedoch den in der Rüge angestrebten Schluss, wonach die Angeklagte „ein brennendes Sofa nie wahrgenommen haben kann, sondern lediglich ein brennendes Handtuch“, gezogen zu haben.

Die Passage im Gutachten des Sachverständigen, wonach der Brand von selbst erloschen wäre, wenn das Handtuch abweichend vom stattgefundenen Geschehen entfernt worden wäre, bevor die Couch zu einem Glimmbrand übergegangen ist (ON 63 S 37), war nicht erörterungsbedürftig.

Soweit die Tatsachenrüge die Ausführungen zur Mängelrüge auch zum Gegenstand von Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO erhebt, zeigt sie keinerlei sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über die entscheidenden Tatsachen zur subjektiven Tatseite der Angeklagten auf.

Gleiches gilt für das Vorbringen (Z 5a), das Schöffengericht hätte sich mit dem im Übrigen festgestellten (US 5 f) Konflikt zwischen der Angeklagten und ihrem Ehemann auseinanderzusetzen gehabt, sowie damit, dass der psychiatrische Sachverständige die Angeklagte als eine „wenig aggressive, sehr zufriedene Persönlichkeit“ beschreibt und ausführt, dass die Handlung der Angeklagten „je nach Einschätzung und Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch das hohe Gericht als unglückliche Verkettung eines schicksalhaften Ereignisses, dessen Anlass Frau F***** war“, zu sehen ist.

Gegenstand einer Rechts- oder Subsumtionssrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen mit dem festgestellten Sachverhalt (RIS Justiz RS0099810). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, wenn unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten aber indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS Justiz RS0118580). Es darf dabei kein konstatierter Umstand übergangen oder bestritten werden.

Diese Kriterien missachtet die eine Beurteilung der Tat als Vergehen der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 und 2 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10), die mit der Forderung nach Feststellungen, die ihrer Ansicht nach gegen einen Vorsatz sprechen, jene tatrichterlichen Urteilskonstatierungen ignoriert, wonach es die Angeklagte, als sie das von der Couch herabhängende Eck des über der Couch ausgebreiteten Handtuchs anzündete, zumindest ernstlich für möglich, in Kauf genommen und sich damit abgefunden hat, dass sie dadurch an einer fremden Sache eine Feuersbrunst, also ein Feuer, das durch sein Ausmaß mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrschbar ist, verursachen würde und dass dadurch eine nicht bloß abstrakte sondern konkrete Gefährdung für Leib oder Leben der im Haus befindlichen Kinder und für das im Eigentum der Sonja S***** stehende Gebäude entstehen würde (US 7).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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