1Nc63/11x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 30 Cg 22/11t anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Lee Sydney Harrison M*****, Australien, vertreten durch 1. Dr. Miklós Tomszer, Rechtsanwalt in Budapest (Ungarn), Einvernehmensrechtsanwalt gemäß § 5 EIRAG Mag. Árpád Geréd, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Mag. László Szabó, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 40.213.847,48 EUR sA, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der Kläger erhebt neben Entschädigungsansprüchen nach dem StEG 1969 Amtshaftungsansprüche, die er unter anderem daraus ableitet, dass ihn die Beklagte „ohne rechtskräftigen Gerichtsbeschluss“ an Ungarn ausgeliefert habe. Das Oberlandesgericht Wien habe mit Beschluss vom 19. 1. 1999, 22 Ns 20/98, seiner Auslieferung zugestimmt. Auf der Grundlage dieses Beschlusses sei am 17. 2. 1999 seine Auslieferung vorgenommen worden. Über seine „Berufung“ habe der Oberste Gerichtshof erst nachfolgend mit Beschluss vom 15. 4. 1999, 12 Os 33/99, entschieden. Erst dadurch sei der erstinstanzliche Beschluss „bestätigt“ worden und habe „seine Rechtskraft“ erlangt.
Das Erstgericht legte den Akt dem Obersten Gerichtshof mit dem Ersuchen um Entscheidung gemäß § 9 Abs 4 AHG vor.
Im Gegensatz zur Darstellung des Klägers hatte der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 15. 4. 1999, 12 Os 33/99, die Beschwerde des Klägers in seiner Auslieferungssache gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 19. 1. 1999, 22 Ns 20/98 8, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen, weil Entscheidungen über die Zulässigkeit einer Auslieferung nicht anfechtbar seien (§ 33 Abs 5 ARHG idF vor der Aufhebung des zweiten Satzes durch den VfGH mit Erkenntnis G 151, 152/02, BGBl I 2003/6). Gemäß § 34 Abs 1 erster Satz ARHG befindet (und befand) der Bundesminister für Justiz - hier nach Übermittlung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien unter Anschluss der Akten (§ 33 Abs 6 ARHG idF vor BGBl I 2004/15) - über das Auslieferungsersuchen nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen und der Grundsätze des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs. Die Durchführung der Auslieferung hatte der Untersuchungsrichter (beim Gerichtshof erster Instanz) zu veranlassen (§ 36 Abs 1 erster Satz ARHG idF vor BGBl I 2007/112).
Rechtliche Beurteilung
Nach § 9 Abs 4 AHG ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch unter anderem aus einem kollegialen Beschluss eines Oberlandesgerichts abgeleitet wird, das nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wäre. Zweck der Norm ist, alle betroffenen Gerichte, aus deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über den Anspruch auszuschließen, damit nicht Richter eines Gerichtshofs über das Verhalten anderer Richter desselben Gerichtshofs abzusprechen haben (RIS Justiz RS0056449 [T4]).
Der Kläger behauptet kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Richtern des Oberlandesgerichts Wien, das mit Beschluss vom 19. 1. 1999 die vom Ministerium für Justiz der Republik Ungarn begehrte Auslieferung des Klägers zur Strafverfolgung für zulässig erklärte. Er leitet seinen Ersatzanspruch vielmehr daraus ab, dass er von der Beklagten „ohne rechtskräftigen Gerichtsbeschluss“ nach Ungarn ausgeliefert worden sei. Wenngleich das Oberlandesgericht Wien über die Zulässigkeit der Auslieferung des Klägers zu entscheiden hatte, bietet dieser Umstand keine gesetzliche Grundlage für eine Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG, weil der Ersatzanspruch des Klägers gerade nicht aus dieser Entscheidung abgeleitet wird, sondern offenbar aus einem Fehlverhalten des Bundesministers für Justiz.