JudikaturOGH

15Os93/11g – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. August 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Anwesenheit des Richteramtsanwärters Mag. Böhm als Schriftführer in der Strafsache gegen Midhat B***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Mai 2011, GZ 112 Hv 22/11t 18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die „Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld“ werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Midhat B*****, abweichend von der gegen ihn wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB erhobenen Anklage, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Jänner 2011 in Wien Muhamed I***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihn an den Handgelenken packte und gegen eine Hausmauer stieß, wodurch der Genannte eine blutende Wunde im Bereich des linken Daumens und eine Verletzung des Fingernagels erlitt.

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Als aktenwidrig (Z 5 letzter Fall) erachtet die Mängelrüge die Konstatierungen zu den eingetretenen Verletzungen, habe das Opfer doch lediglich angegeben, einen umgebogenen Nagel und Beulen erlitten zu haben. Sie übersieht jedoch, dass ein Urteil nur dann aktenwidrig ist, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde, auf die es seine Feststellung stützt, in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 467), nicht aber, wenn Feststellungen des Erstgerichts im (behaupteten) Widerspruch zu einzelnen, isoliert herausgegriffenen Beweisinhalten stehen (vgl RIS-Justiz RS0099431 [T5 und T7]). Überdies gab der Zeuge Muhamed I***** gegenüber der Kriminalpolizei in Übereinstimmung mit den Urteilsannahmen an, sein Fingernagel sei eingerissen gewesen und er habe geblutet (S 31 in ON 2). Diese Verletzungen wurden von den einschreitenden Polizeibeamten auch wahrgenommen (S 7 in ON 2).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zur inneren Tatseite, legt jedoch nicht dar, weshalb die ohnedies getroffenen Konstatierungen, der Angeklagte habe es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass I***** durch diese Gewaltanwendungen Verletzungen am Körper erleide (US 3), für die Annahme bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1 StGB) nicht ausreichten.

Die Behauptung, bei einem verbogenen Fingernagel handle es sich lediglich um eine dem Begriff der Körperverletzung nicht entsprechende Bagatellverletzung, lässt die getroffenen Feststellungen, wonach das Opfer eine blutende Wunde im Bereich des linken Daumens und eine Verletzung des Fingernagels erlitt (US 3 iVm US 2), außer Acht und verfehlt damit die erwiderungsfähige Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Mit der auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Behauptung, die Voraussetzungen des § 42 StGB (gemeint offensichtlich: § 191 StPO) lägen vor, geht der Beschwerdeführer ebenfalls nicht von der Gesamtheit der getroffenen Feststellungen aus, wonach die grundlosen Aggressionshandlungen ausschließlich von ihm gegen ein ihm unbekanntes Opfer ausgingen. Die Rechtsrüge unterlässt daher jegliche Begründung, weshalb - unter Zugrundelegung eben dieser Konstatierungen - der Störwert der Tat in Abwägung der Schuld als gering anzusehen sei (§ 191 Abs 1 Z 1 StPO).

In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung war die Nichtigkeitsbeschwerde daher - wie die ebenfalls erhobene, im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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