JudikaturOGH

12Os96/11a – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. August 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Böhm als Schriftführer in der Strafsache gegen Ferhat Y***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Murat Y***** sowie über die Berufungen des Angeklagten Ferhat Y***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 23. März 2011, GZ 50 Hv 3/11k 309, sowie über die Beschwerden des Angeklagten Ferhat Y***** und der Staatsanwaltschaft gegen den gemeinsam mit dem Urteil gemäß § 494a StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Ferhat Y*****, Murat Y***** und Jürgen K***** zu I./A./2./ sowie demzufolge auch in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung), ebenso den hinsichtlich Murat Y***** und Ferhat Y***** gefassten Beschluss aufgehoben, im Umfang der Aufhebung eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Ferhat Y***** und Murat Y***** sowie die Staatsanwaltschaft, letztere und der Angeklagte Ferhat Y***** auch mit ihren Beschwerden, auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Murat Y***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das noch weitere Schuldsprüche der Nachgenannten sowie Freisprüche anderer Angeklagter enthält, wurden soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung Ferhat Y*****, Murat Y***** und Jürgen K***** jeweils des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 3 StGB (I./A./1./) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach §§ 12 dritter Fall, 229 Abs 1 StGB (I./A./2./) schuldig erkannt.

Danach haben zusammengefasst wiedergegeben Ferhat Y*****, Murat Y***** und Jürgen K***** zwischen Februar und April 2010 in P***** und W***** (US 12)

I./A./1./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (US 14) zur Ausführung des durch Björn L***** und weitere Täter durch Einbruch, und zwar durch Aufbrechen einer Lagertür, begangenen Diebstahls von fremden beweglichen Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, und zwar von Computergeräten samt Zubehör im Gesamtwert von 628.109 Euro sowie von einem Lastkraftwagen im Wert von 8.114,58 Euro der C***** GmbH, beigetragen, indem Murat Y***** den Kontakt zu Björn L***** herstellte und mit diesem, Ferhat Y***** und unbekannt gebliebenen Tätern den Ablauf des Einbruchsdiebstahls plante sowie Ferhat Y***** und Jürgen K***** Björn L***** und einen unbekannten Täter den Tatort in P***** zeigten und mit ihnen besichtigten und Jürgen K***** überdies die E Mail Adresse des Björn L***** an Martin K***** weiterleitete;

I./A./2./ durch die zu Punkt I./A./1./ genannte Handlung mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz zur Unterdrückung einer Urkunde, über die sie nicht oder nicht allein verfügen durften, durch Björn L***** sowie die weiteren Täter beigetragen, die den im Firmengebäude aufbewahrten Zulassungsschein des Lastkraftwagens der C***** GmbH an sich nahmen.

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Murat Y*****, der teilweise, und zwar hinsichtlich des Schuldspruchs I./A./2./ Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Schuldspruch I./A./1./:

Ausgehend vom Aufbrechen der Lagertüre und der Wegnahme von Computergeräten samt Zubehör im Wert von 628.109 Euro und einem hiezu geleisteten Tatbeitrag des Murat Y***** (US 13) spricht die Mängelrüge (Z 5 vierter und fünfter Fall) mit Bezugnahme auf die den Lastkraftwagen betreffenden Feststellungen keine entscheidenden Tatsachen an (vgl RIS-Justiz RS0118720).

Die gegen die Einbruchsqualifikation gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) lässt die Konstatierungen außer Acht, wonach die Modalitäten eines Einbruchsdiebstahls in die „Firma“ C***** genau besprochen und geplant wurden (US 12 ff), und orientiert sich damit nicht an der Prozessordnung ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 584; RIS Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zum Schuldspruch I./A./2./:

Zutreffend zeigt jedoch die Mängelrüge (Z 5) eine offenbar unzureichende Begründung der Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite auf.

Ein mit Blick auf Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO einwandfreier Schluss lässt sich hinsichtlich des nicht am Tatort gewesenen Beschwerdeführers nämlich weder aus der tatrichterlichen Spekulation, wonach es, weil große Mengen an Waren gestohlen werden sollten, „naheliegend“ sei, dass die unmittelbaren Täter zum Abtransport der Beute auch einen LKW der „Firma C***** GmbH“ verwenden würden, noch aus der darauf gegründeten Prämisse ableiten, wonach es der Lebenserfahrung entspreche, dass in einem Firmenfahrzeug vielfach auch der dazugehörige Zulassungsschein verwahrt werde.

Bereits dieser Begründungsmangel machte eine Kassation des Schuldspruchs I./A./2./ bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) unumgänglich, weshalb das darauf bezogene weitere Vorbringen keiner Erörterung bedurfte.

Mit dem aufgezeigten Mangel ist auch der jeweils zu I./A./2./ ergangene Schuldspruch der Angeklagten Ferhat Y***** und Jürgen K***** behaftet, zu deren Gunsten gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO von Amts wegen vorzugehen war.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten Ferhat Y***** und Murat Y***** sowie die Staatsanwaltschaft auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Entsprechendes gilt für die (teilweise implizierten) Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Ferhat Y***** gegen die gemäß § 494a Abs 1 StPO gefassten Beschlüsse.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Murat Y***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Hinsichtlich des amtswegigen Vorgehens (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) besteht keine Kostenersatzpflicht.

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