12Os66/11i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Böhm als Schriftführer in der Strafsache gegen Bünyamin K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 2. März 2011, GZ 37 Hv 1/11i-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bünyamin K***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1./) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (2./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 23. Oktober 2010 in Linz
1./ Edit R***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich eines vaginalen und analen Geschlechtsverkehrs, genötigt, indem er ihr eine Faustfeuerwaffe an den Kopf setzte und ihr sodann deren Lauf in den Mund steckte, sie an den Haaren zur Toilette zog und ihr auf den Kopf schlug;
2./ Yanka I***** durch Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige wegen der unter Punkt 1./ angeführten Handlung, genötigt, indem er unter Vorhalt einer Faustfeuerwaffe äußerte, sie solle weiter arbeiten und niemanden von dem Vorfall erzählen.
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Soweit sich die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf Feststellungen zur Übernahme des Bordellbetriebs durch den Angeklagten bezieht (US 5), spricht sie keine entscheidenden Tatsachen an ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 399; RIS-Justiz RS0117499, RS0117435, RS0117264).
Inwiefern die Beweiswürdigung in Betreff der Erwägungen der Tatrichter zu den Zeuginnen Edit R***** und Yanka I***** (US 7 ff) offenbar unzureichend sein soll (Z 5 vierter Fall), macht das - prozessordnungswidrig auf einen Teil der Gründe statt auf deren Gesamtheit (RIS-Justiz RS0119370) abstellende - Vorbringen nicht deutlich (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Keiner Anfechtungskategorie der Mängelrüge (vgl zB 13 Os 87/10h) entsprechen die vorgetragenen Mutmaßungen darüber, welche Reaktionen der Genannten auf Drohungen der Betreiberin des Lokals mit „der allgemeinen Lebenserfahrung“ vereinbar seien (RIS-Justiz RS0118317, RS0116732).
Soweit die Beschwerde Erwägungen zu Angaben des Bewährungshelfers über dessen Ansichten betreffend die innere Einstellung des Angeklagten vermisst (Z 5 zweiter Fall), geht sie daran vorbei, dass nur Tatsachenbekundungen eine Aussage darstellen. Subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge können daher grundsätzlich nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sein, sondern nur die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Prämissen (RIS-Justiz RS0097540, RS0097573, RS0097545).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Soweit die Tatsachenrüge des Angeklagten nicht schon der gebotenen Bezugnahme auf konkrete Beweismittel entbehrt (RIS-Justiz RS0117446), vermag sie mit den - übrigens ohne Angabe von Fundstellen (vgl RIS-Justiz RS0124172) - vorgebrachten Hinweisen auf isolierte Aspekte des Beweisverfahrens keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.