JudikaturOGH

13Os64/11b – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang P***** wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 9 U 29/09f des Bezirksgerichts Klosterneuburg, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 5. März 2010 (ON 36 S 3) und einen weiteren Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 9 U 29/09f des Bezirksgerichts Klosterneuburg verletzen

(1) der Beschluss dieses Gerichts vom 5. März 2010 (ON 36 S 3) § 53 Abs 1 und 3 StGB sowie

(2) das Unterbleiben einer Entscheidung des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht (ON 53) über die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende Beschwerde gegen den zu 1 bezeichneten Beschluss § 498 Abs 3 letzter Satz StPO.

Der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 5. März 2010 (ON 36 S 3) wird aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Korneuburg auf Widerruf der zu AZ 111 Hv 17/04i des Landesgerichts für Strafsachen Wien und zu AZ 8 U 432/04x des Bezirksgerichts Leopoldstadt gewährten bedingten Strafnachsichten (ON 1 S 4) abgewiesen.

Text

Gründe:

Wolfgang P***** wurde mit am 26. April 2004 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. April 2004, GZ 111 Hv 17/04i 16, zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen (Zusatz )Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit am 5. Dezember 2005 in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 1. Dezember 2005, GZ 8 U 432/04x 16, sprach das Bezirksgericht Leopoldstadt über Wolfgang P***** erneut eine unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe aus und verlängerte mit unter einem gefassten Beschluss die zum erstgenannten Urteil festgesetzte Probezeit auf fünf Jahre.

Am 5. März 2010 erkannte das Bezirksgericht Klosterneuburg Wolfgang P***** des am 28. August 2009 begangenen Vergehens der Körperverletzung schuldig (ON 36). Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss (ON 36 S 3) sah es vom Widerruf der zu AZ 111 Hv 17/04i des Landesgerichts für Strafsachen Wien und zu AZ 8 U 432/04x des Bezirksgerichts Leopoldstadt gewährten bedingten Strafnachsichten ab und verlängerte hinsichtlich dieser Entscheidung die Probezeit auf fünf Jahre.

Mit Urteil vom 5. August 2010 (ON 53) setzte das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht die vom Bezirksgericht Klosterneuburg ausgemessene Freiheitsstrafe herab, traf aber zum Beschluss auf Verlängerung der Probezeit keine Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, verletzen die dargestellten Vorgänge das Gesetz mehrfach:

Die Entscheidung darüber, ob eine bedingte Strafnachsicht widerrufen oder (im Fall des Absehens vom Widerruf) die Probezeit verlängert wird (§ 53 Abs 3 erster Satz StGB), setzt gemäß § 53 Abs 1 erster Satz StGB eine während der Probezeit begangene strafbare Handlung voraus (vgl auch § 494a Abs 1 erster Satz StPO).

Die Probezeit ist als Frist des materiellen Strafrechts nach den Regeln des § 68 StGB zu berechnen. Sie beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, mit der die bedingte Nachsicht ausgesprochen worden ist (§ 49 erster Satz StGB). Demgemäß entspricht der Ablauftag einer nach Jahren bestimmten Probezeit ziffernmäßig dem Tag, an dem das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist.

Zeiten, die in die Probezeit nicht einzurechnen sind (§ 49 zweiter Satz StGB), stehen hier nicht in Rede.

Demgemäß endete die Probezeit zum Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt (AZ 8 U 432/04x) am 5. Dezember 2008, jene zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien (AZ 111 Hv 17/04i) am 26. April 2009, womit die Entscheidung über den Widerruf dieser Probezeiten wegen der am 28. August 2009 begangenen Tat rechtsirrig war. Da die Verlängerung der Probezeit zum Nachteil des Verurteilten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung dieser Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Die gegen das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 5. März 2010 (ON 36) erhobene Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO auch als Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Verlängerung der Probezeit zu betrachten.

Indem das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht nicht über diese nunmehr gegenstandslose - Beschwerde entschied (ON 53), verletzte es § 498 Abs 3 letzter Satz StPO.

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