7Ob123/11f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, Autobahnzollplatz, vertreten durch Dr. Peter Schlösser, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei L*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Boesch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 27.082,79 EUR (sA), über die „außerordentliche“ Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2011, GZ 1 R 69/11s 16, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Dezember 2010, GZ 16 Cg 163/10k 12, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte von der Beklagten zuletzt 27.082,79 EUR. Sie habe in drei Schadensfällen auf Grund sogenannter „T1 Verfahren“ (Verfahren bei der Einfuhr von Waren aus Nicht EG Ländern in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft) Abgabenzölle und Säumniszuschläge zu entrichten gehabt. Diese Zahlungen (Schäden) in Gesamthöhe von 30.092,25 EUR seien mit Ausnahme eines Selbstbehalts von 10 % durch eine „Zoll Versicherung“ gedeckt. Die Beklagte hafte auf Grund des Vertrags (Versicherungs )verhältnisses sowie der Maklervollmacht. Die drei geltend gemachten Deckungsansprüche übersteigen jeweils 5.000 EUR und ergeben insgesamt den Klagsbetrag.
Die Beklagte wendete ein, sie habe den Abschluss des Versicherungsvertrags lediglich vermittelt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte sei als Maklerin für die Deckungsansprüche aus der Versicherung nicht passiv klagslegitimiert. Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobene „außerordentliche“ Revision der Klägerin legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:
Rechtliche Beurteilung
Nach § 502 Abs 3 ZPO idF des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl I 52/2009, ist die Revision außer im Fall des § 508a Abs 3 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO wie hier für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann allerdings eine Partei nach § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist die ordentliche Revision auszuführen. Der mit dieser verbundene Antrag ist gemäß § 508 Abs 2 ZPO binnen vier Wochen beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Berufungsgericht zu behandeln (RIS Justiz RS0109623). Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei wie hier die Klägerin ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Dies gilt auch, wenn es als „außerordentliche“ Revision bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Dieser darf darüber nur und erst entscheiden, wenn das Berufungsgericht nach § 508 Abs 2 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei (RIS Justiz RS0109623 und RS0109501). Dies gilt auch dann, wenn der Revisionswerber in den Schriftsatz nicht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Berufungsgerichts gestellt hat, weil dieser Mangel nach § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS Justiz RS0109623).
Das Erstgericht wird daher das Rechtsmittel der Klägerin dem Berufungsgericht vorzulegen haben.