12Os34/11h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kunst als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexej B***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Pavol Be***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 13. Jänner 2011, GZ 151 Hv 142/10z 45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Pavol Be***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alexej B***** und Pavol Be***** je zweier Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (A./) und des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach haben Alexej B***** und Pavol Be***** am 13. September 2010 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)
A./ außer den Fällen des § 201 StGB Personen mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar
1. Valerie P*****, indem sie sie einkeilten, Pavol Be***** sie direkt körperlich bedrängte und sodann Alexej B***** unter ihrem Mantel hindurch griff, wobei er mit abgespreiztem Daumen die noch mit Unterhose und Jeanshose bekleidete Vagina fest zu penetrieren suchte und dabei auch mit der ganzen Hand die Vagina der Zeugin intensiv betastete, sowie ihr in weiterer Folge, nachdem sich Valerie P***** umgedreht und ihm reflexartig eine Ohrfeige versetzt hatte, einen heftigen Schlag gegen ihr Gesicht versetzte;
2. ein unbekannt gebliebenes Opfer, nämlich eine jüngere Frau, indem sie sie ebenfalls einkeilten, sie zu Boden rissen und ihr Schläge versetzten, wobei einer der Angeklagten im Einverständnis mit dem anderen von hinten die Vagina der Unbekannten intensiv betastete;
B./ Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich ihrer Anhaltung im Rahmen der Gefahrenabwehr nach Begehung strafbarer Handlungen (§ 21 SPG), zu hindern versucht, indem sie auf die Polizeibeamten Simon H***** und Juilia C***** zusprangen und Schläge gegen sie zu setzen suchten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten Pavol Be***** aus Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und (der Sache nach auch) 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Eine Mängelrüge (Z 5) ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 394, 455; RIS Justiz RS0119370, RS0116504).
Diesem Erfordernis wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie bei der Kritik an den Feststellungen zum Zustand des Beschwerdeführers (mit Blick auf die Frage nach Zurechnungsunfähigkeit) übergeht, dass sich die Tatrichter insoweit über das Gutachten Dris. F***** (ON 29) hinaus auch auf das zielgerichtete Tatverhalten stützten (US 9).
Das Gleiche gilt für das Vorbringen (Z 5 vierter Fall) gegen die zur gemeinsamen Willensausrichtung getroffenen Konstatierungen: Die Beschwerde vernachlässigt, dass die Tatrichter ihre diesbezügliche Überzeugung nicht nur aus den Angaben der Zeugin P***** über die Tatbegehung an ihr, sondern auch aus dem Umstand ableiteten, dass die beiden Angeklagten unmittelbar danach „noch ein weiteres Opfer anfielen“ (US 11).
In der Tatsachenrüge (Z 5a) werden mit dem vorgebrachten Hinweis auf die Aussage jener Zeugin zur Intensität des Angriffs (ON 44 S 17 f) keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht von der urteilsfremden Sachverhaltsannahme aus, Valerie P***** (Schuldspruch A./1) sei nur von der Rückseite her bedrängt und nicht in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt worden (vgl demgegenüber US 7).
Damit verfehlt auch sie eine an der Prozessordnung orientierte Ausführung, die den Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt zum Gegenstand hat ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581; RIS-Justiz RS0099810).
Dies trifft auch auf das Vorbringen zu (Z 9 lit a und 10), mit dem sich der Beschwerdeführer gegen das festgestellte intensive Betasten der Vagina der Valerie P***** (unter dem Mantel, über den Jeans) wendet (vgl US 7).
Weshalb beim festgestellten Sachverhalt § 218 Abs 1 StGB anstelle des § 202 Abs 1 StGB heranzuziehen sein soll (Schuldsprüche A./1 und 2), leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab, ebenso wenig (zu Schuldspruch B./), warum es für versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt auf eine tatsächliche Kraftanwendung ankommen soll (vgl US 4, 8 f; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19).
Die Geltendmachung von Versuch zu A./1 (Z 11 zweiter Fall; RIS-Justiz RS0122138) geht nicht von der Feststellung des stattgefundenen intensiven Betastens der Vagina von Valerie P***** aus (US 8).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Pavol Be***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.