JudikaturOGH

13Os107/10z – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 4. März 2010, GZ 9 Hv 9/08t 32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Freispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Christian K***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Spätsommer 2007 in S*****, G*****, Jennifer F***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sich, während sie schlief, zu ihr ins Bett legte, ihr die Hose auszog, ihre Unterhose bis zu den Oberschenkeln hinunterzog, sich unter sie legte, sodass sie auf seinem Bauch zu liegen kam, wovon sie wach wurde, sie trotz ihrer Versuche, sich wegzudrücken, festhielt und gegen seinen Körper drückte, mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang und mit ihr den Beischlaf vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 1a, 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene, irrig als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichnete (RIS Justiz RS0099013 [T1 und T2]; Ratz , WK StPO § 285d Rz 9) Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Der aus Z 1a gewählte Ansatz, dem Angeklagten sei zum Zeitpunkt der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin Jennifer F*****, zu welcher er geladen worden, aber nicht erschienen sei, kein Amtsverteidiger beigestellt worden, ist nicht zielführend, weil der Nichtigkeitsgrund auf Verteidigeranwesenheit bei der Hauptverhandlung abstellt (RIS Justiz RS0097569 [T3, T5]).

Aus Z 4 rügt der Angeklagte die Abweisung seines Antrags „auf Durchführung einer neuerlichen kontradiktorischen Einvernahme der Jennifer F***** hinsichtlich der Freiwilligkeit, zumal die Angaben“ der Zeugin „widersprüchlich“ gewesen seien (ON 31 S 5).

Soweit er dabei auf Gutachten rekurriert, geht er über das Antragsvorbringen hinaus. Dessen Ergänzung steht das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch nicht offen: Bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags ist stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen (RIS Justiz RS0099618).

Zudem wurden bei der Antragstellung keine Gründe vorgebracht, aus denen im vorliegenden Fall das im Schutz des Zeugen gelegene Beweismittelverbot (vgl Art 8 EMRK) gegen das Verteidigungsinteresse an ergänzender Befragung zurückzutreten hätte (vgl Art 6 Abs 3 lit d EMRK).

Auf fehlenden Verteidigerbeistand bei der kontradiktorischen Vernehmung hat sich der Angeklagte bei der Antragstellung gerade nicht berufen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 233).

Im Übrigen sei angemerkt, dass die Tatrichter schon im ablehnenden Zwischenerkenntnis ihre Aufgabe betonten, widersprüchlichen Angaben besonderes Augenmerk zu widmen (ON 31 S 6).

Der Hinweis der Tatsachenrüge (Z 5a) auf vom Erstgericht bedachte Widersprüche in den Angaben der Zeugin Jennifer F***** (vgl US 8 ff) weckt keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Das übrige Vorbringen erschöpft sich darin, den beweiswürdigenden Überlegungen der Tatrichter eigene Beweiswerterwägungen entgegenzusetzen, und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes. Z 5a verlangt nämlich, aus dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen deutlich und bestimmt zu bezeichnenden Beweismaterial erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegender entscheidender Tatsachen zu entwickeln (RIS Justiz RS0119583; Ratz , WK StPO § 281 Rz 471, 481).

Desgleichen wird mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz keine Nichtigkeit aus Z 5a aufgezeigt, sondern in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft (RIS Justiz RS0117445 [T2]).

Soweit sich der Angeklagte auch unter diesem Nichtigkeitsgrund auf die Ablehnung seines Beweisantrags bezieht, ist er auf die Erledigung der Verfahrensrüge (Z 4) zu verweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), desgleichen die in der Verfahrensordnung zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile nicht vorgesehene (vgl § 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde führt zur Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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