13Os6/11y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bambo C***** wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. September 2010, GZ 45 E Hv 28/10f 19, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, und des Verteidigers Dr. Kier zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. September 2010, GZ 45 E Hv 28/10f 19, verletzt in den Schuldsprüchen III/1 und 2 das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 35 Abs 1 und 37 SMG.
Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesen Schuldsprüchen und im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft ebenso wie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss nach § 494a StPO aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Text
Gründe:
Bambo C***** wurde mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. September 2010, GZ 45 E Hv 28/10f 19, der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (I), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (II), des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (III/1 und 2) und des Diebstahls nach § 127 StGB (IV) schuldig erkannt.
Danach hat er, soweit hier von Bedeutung, in Wien
III/ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Marihuana,
1/ besessen, und zwar am 5. August 2010 insgesamt rund 208 Gramm brutto in durchschnittlicher Straßenqualität zum persönlichen Gebrauch;
2/ zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar von Mai bis 5. August 2010 in nicht mehr feststellbaren Mengen.
Die Einzelrichterin verhängte über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten.
Verfehlt in Beschlussform (vgl § 443 Abs 1 StPO) erkannte sie auf Einziehung des sichergestellten Suchtgifts (ON 19 S 9).
Zugleich fasste sie den Beschluss auf (richtig:) Widerruf der bedingten Nachsicht eines Teils von elf Monaten der über Bambo C***** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Juli 2009, GZ 153 Hv 39/09s 21, verhängten Freiheitsstrafe von 15 Monaten.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. September 2010, GZ 45 E Hv 28/10f 19, steht hinsichtlich der Schuldsprüche nach dem SMG (III/1 und 2), wie die Generalprokuratur in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu Recht geltend macht, mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Nach § 35 Abs 1 SMG hat die Staatsanwaltschaft unter den in § 35 Abs 3 bis 7 SMG genannten Voraussetzungen und Bedingungen von der Verfolgung einer Straftat nach den §§ 27 Abs 1 und 2 oder 30 SMG, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Beschuldigte daraus einen Vorteil gezogen hat, unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurückzutreten.
Nach Einbringen der Anklage hat das Gericht die §§ 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen (§ 37 SMG).
Die Tatbegehung zum persönlichen Gebrauch annehmende Einzelrichterin hätte demgemäß nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG vorgehen müssen.
Die stattdessen gefällten Schuldsprüche III/1 und 2 verletzen das Gesetz in diesen Bestimmungen (RIS Justiz RS0113620), auch wenn der Angeklagte zugleich wegen der erwähnten anderen Vergehen verurteilt wurde (RIS Justiz RS0113621).
Aufgrund der aufgezeigten Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO), wobei die Teilkassation des Schuldspruchs die Aufhebung des Strafausspruchs und des Widerrufsbeschlusses nach sich zog.