JudikaturOGH

14Os123/10k – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bergmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kujtim K***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 29. Juni 2010, GZ 14 Hv 15/10x 51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kujtim K***** der Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (1) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er

1) am 11. Dezember 2009 in Knittelfeld an einer fremden Sache, nämlich an der Wohnung des Xhevat K*****, ohne dessen Einwilligung eine Feuersbrunst verursacht, indem er in drei verschiedenen Zimmern ein Feuer entfachte, sodass der Brand nur durch den Einsatz der Feuerwehr gelöscht werden konnte;

2) am 12. April 2010 in Leoben im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Xhevat K***** Insp. Dietmar R***** und Insp. Alexander S***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB falsch verdächtigte, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch ist, indem er anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung sinngemäß angab, Insp. S***** und Insp. R***** hätten ihn wiederholt unter Druck gesetzt und hätten ihn für den Fall, dass er kein Geständnis ablegen würde, „immer wieder mit der Abschiebung in den Kosovo, einer längeren Untersuchungshaft usw“ bedroht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Zum Schuldspruch 1):

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags (ON 50 S 125) auf Einholung eines kriminaltechnischen spurenkundlichen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass beide Glasscheiben des Wohnzimmerfensters nicht thermisch bedingt zerborsten, sondern vor der Brandentstehung von außen eingeschlagen, das Fenster von außen geöffnet und in die Wohnung eingestiegen worden sei (ON 50 S 123 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Der Beweisantrag ließ nämlich nicht erkennen, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, obwohl Dipl. HTL Ing. Harald F***** als Brandsachverständiger den auch in der Aussage der Zeugen Wolfgang Sc***** (ON 36 S 37 f) Deckung findenden Schluss zog, dass die Fenster verschlossen waren (ON 50 S 85, 87, 93) und in seinem Gutachten auch ausführte, dass die Scheibe erst beim Löscheinsatz durch das Auftreten von Temperaturschwankungen gesprungen sei (ON 50 S 91), und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS Justiz RS0107040).

Deshalb verfiel auch der Antrag auf Vernehmung des zum selben Beweisthema geführten Zeugen Norbert K***** (ON 50 S 125) zu Recht der Ablehnung (ON 50 S 125 f).

Da bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist, bleibt das ergänzende Beschwerdevorbringen außer Betracht (RIS-Justiz RS0099618).

Die aus mehreren Aspekten der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gegen die Feststellung der Affinität des Angeklagten zu Feuer gerichteten Einwände des Beschwerdeführers sprechen keine entscheidende Tatsache an.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist der aus dem objektiven Tatgeschehen gezogene Schluss des Erstgerichts auf die subjektive Tatseite (US 19) methodisch gerechtfertigt und auch rechtsstaatlich zulässig ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 452; RIS Justiz RS0098671). Der Einwand offenbar unzureichender Begründung der subjektiven Tatseite unterlässt auch die gebotene Gesamtbetrachtung der diesbezüglichen Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370). Die Tatrichter haben sich nämlich nicht nur auf das äußere Geschehen, sondern auch auf die geständige Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei (US 9 f) und das Eingeständnis des Beschwerdeführers gegenüber seinem Vater (US 16) gestützt.

Dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider setzte sich das Erstgericht mit den Aussagen der Alibizeugen Shpetim K*****, Patrick P***** und Hesni H***** eingehend auseinander und legte auch mängelfrei, nämlich ohne gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungswerte zu verstoßen, dar, aus welchen Gründen es den Depositionen der Zeugen nicht folgte (US 13 f).

Soweit die Rüge anhand eigener spekulativer Überlegungen aus den Ergebnissen der Rufdatenrückerfassung und Standortpeilung (US 13, 14, 15) lediglich andere Schlüsse abzuleiten trachtet als das Erstgericht, um der als unglaubwürdig verworfenen leugnenden Verantwortung des Angeklagten (US 15) zum Durchbruch zu verhelfen und dessen Gelegenheit zur Brandstiftung bestreitet, verlässt sie erneut den Anfechtungsrahmen und bekämpft nach Art einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Schließlich übersieht die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), dass die Lichtbilder bereits im Gutachten des Brandsachverständigen Berücksichtigung fanden (ON 50 S 87), das den Feststellungen als unbedenklich und schlüssig zugrunde gelegt wurde (US 10); einer gesonderten Erörterung des Beweismaterials bedurfte es demnach nicht.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

Mit Blick auf die von der Beschwerde übergangene geständige, auch zu den Brandherden Auskunft gebende Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei, die mit dem Gutachten des Brandsachverständigen im Einklang steht (US 10), werden durch den bloßen Hinweis der Tatsachenrüge (Z 5a) auf Telefonate in der Dauer von 3,65 Minuten und Versenden von SMS (US 15) bei einem Tatzeitraum von 20 bis 25 Minuten ebenso wenig erhebliche Bedenken im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes geweckt wie durch Bezugnahme auf Aussagen von Alibizeugen, denen vom Erstgericht wegen Widersprüchlichkeiten keine Glaubwürdigkeit zugebilligt wurde (US 9, 13, 14).

Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist voranzustellen, dass die Wirksamkeit der Konstatierung der subjektiven Tatseite durch Verwendung der verba legalia dann nicht beeinträchtigt ist, wenn ein Sachverhaltsbezug hergestellt wird (RIS Justiz RS0119090 [T2]).

Indem der Beschwerdeführer die substratlose Verwendung der verba legalia und das Fehlen eines Sachverhaltsbezugs zwar behauptet, dabei aber den zu den Tathandlungen hergestellten Zusammenhang des Erstgerichts übergeht (US 6), verfehlt er den in der Gesamtheit der Entscheidungsgründe gelegenen Bezugspunkt der Anfechtung.

Zum Schuldspruch 2):

Die Reklamation eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) zwischen Tenor (US 2) und Gründen (US 8 dritter Absatz), welchen der Beschwerdeführer in den nach seiner Ansicht divergierenden Urteilsaussagen dazu, ob der Vollzug des angedrohten Übels durch die Beamten selbst oder durch andere erfolgen sollte, erblickt, bezieht sich nicht auf Entscheidungsrelevantes; im Übrigen lassen die kritisierten Urteilspassagen einen nichtigkeitsbegründenden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 438 f) Widerspruch gar nicht erkennen.

Soweit der Beschwerdeführer seinen Angaben in der Hauptverhandlung einen anderen Bedeutungsinhalt unterstellt, wird kein Begründungsmangel (Z 5 vierter Fall) aufgezeigt, sondern bloß erneut unzulässige Beweiskritik geübt.

Das gesetzmäßige Ausführen eines materiellen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung zur Voraussetzung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS Justiz RS0099810).

Das undifferenziert auf Z 9 lit a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Vorbringen wird den dargelegten Anforderungen nicht gerecht.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) der fälschlich angelasteten Drohung mit einer Abschiebung in den Kosovo und einer mehrjährigen Untersuchungshaft die Eignung abspricht, begründete Besorgnis zu erwecken, geht sie nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen aus, wonach der des Verbrechens der Brandstiftung verdächtige in das Erwerbsleben integrierte 19 jährige und bisher unbescholtene Beschwerdeführer behauptete, durch die von den Beamten aufgebaute Drucksituation (US 4 f) zur Ablegung des Geständnisses genötigt worden zu sein (US 8).

Der Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), wonach die Tatbestandsmerkmale des § 106 Abs 1 Z 1 StGB in den Tenor aufgenommen werden hätten müssen, verfehlt den Bezugspunkt. Ein Verstoß gegen das aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO beachtliche Individualisierungsgebot wird zu Recht nicht behauptet.

Eine verfehlte rechtliche Beurteilung in den Entscheidungsgründen ist unbeachtlich, wenn nur im Ergebnis der zutreffende rechtliche Schluss gezogen wurde (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO; Ratz , WK StPO § 281 Rz 413 f).

Weshalb der Schuldspruch nach dem zweiten Deliktsfall des § 297 Abs 1 StGB aus dem Ausspruch über die entscheidenden Tatsachen nicht ableitbar sei, legt der Beschwerdeführer nicht deutlich und bestimmt dar.

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das Erstgericht als qualifiziertes Nötigungsziel der fälschlich angelasteten Handlung hinreichend deutlich eine vom Angeklagten behauptete tatsachenwidrige Selbstbezichtigung des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB festgestellt hat (US 4, 8, 9). Da eine solche Tat angesichts des Alters des Angeklagten unter einundzwanzig Jahren mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht ist (§ 36 StGB), stellt die Annahme einer Nötigung zu einer derartigen Selbstbelastung jedenfalls einen § 106 Abs 1 Z 1 und 2 StGB gleichwertigen Umstand dar, womit die den Verleumdeten zu Unrecht vorgeworfene Nötigung sehr wohl auf eine Handlung gerichtet war, die besonders wichtige Interessen der angeblich Genötigten verletzt hätte (§ 106 Abs 1 Z 3 StGB; vgl 13 Os 152/92). Mit Blick auf den Strafrahmen des § 106 Abs 1 StGB von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist der Schuldspruch des Erstgerichts nicht zu beanstanden.

Demnach zeigt die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zwar zutreffend, letztlich aber ohne Bedeutung für die Subsumtion auf, dass die fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift des § 313 StGB für die Strafdrohung des fälschlich angelasteten Delikts belanglos ist ( Pilnacek in WK 2 § 297 Rz 35).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise