JudikaturOGH

11Os159/10g – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koller als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef W***** und Johann R***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten W***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 1. Juni 2010, GZ 17 Hv 88/09f 100, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in der beide Angeklagten betreffenden Subsumtion des Schuldspruchs A unter § 148 zweiter Fall StGB, folglich auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte W***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Erledigung der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil das auch einen Freispruch des Angeklagten W***** von einem weiteren Untreuevorwurf und einen Verfolgungsvorbehalt gegen diesen gemäß § 263 Abs 2 StPO (wegen einer Betrugsanschuldigung) enthält wurden Josef W***** und Johann R***** (vormals S*****) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A), Josef W***** überdies des Verbrechens (richtig: des Vergehens, vgl US 28) der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (B) schuldig erkannt.

Danach haben in Villach und anderen Orten

A) Josef W***** und Johann S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter von Anfang 2005 bis Oktober 2005 in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung des schweren Betrugs eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Gertraud Sch***** und Renate Schw***** durch Täuschung über Tatsachen, insbesondere durch die Vorgabe, für diese durch die Abwicklung von besonders lukrativen Devisenhandelsgeschäften monatliche Renditen von 5.000 Euro bis 7.000 Euro erzielen zu können, zu Handlungen verleitet, nämlich zur Aufnahme eines Fremdwährungskredits über 150.400 Euro und nachfolgenden treuhändigen Übereignung nachangeführter Geldbeträge, wodurch die Genannten um einen insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden (Gesamtschaden 107.720 Euro), und zwar:

1. am 10. August 2005 zur Überweisung von 2.950 Euro an die „B*****“;

2. am 23. September 2005 zur Barübergabe von 17.050 Euro an Verantwortliche der „B*****“;

3. am 3. Oktober 2005 zur Anweisung des Betrags von 95.000 Euro an die „V*****“, von der der Betrag später an die „B*****“ weiter überwiesen wurde;

4. am 3. Oktober 2005 zur Barübergabe von 5.000 Euro an Johann R***** namens der „B*****“;

B) Josef W***** im Jahr 2006 als Alleintäter die ihm durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Gesellschafts „bzw“ Joint Venture Verträge eingeräumte Befugnis über das Vermögen der „B*****“ zu verfügen oder das genannte Unternehmen zu verpflichten, durch die Vornahme von hoch riskanten Spekulationsgeschäften, insbesondere durch den Erwerb von rein spekulativen Umsatzbeteiligungen bei der deutschen „A***** AG“ sowie Anteilen an der „p*****“, „sowie durch übermäßige private Geldentnahmen für seine Lebensführung“ (tatbildlich nach § 153 StGB kann allerdings nur eine Rechtshandlung sein Fabrizy , StGB 10 § 153 Rz 5), wodurch am Firmenvermögen ein Totalverlust eintrat, wissentlich missbraucht und dadurch seinem (stillen) Mitgesellschafter Karl Heinz E***** einen Vermögensnachteil in der Höhe von 36.000 Euro zugefügt.

Während Johann R***** das Urteil in Rechtskraft erwachsen ließ, erhebt der Angeklagte W***** Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Dass laut Aussage des Zeugen K***** (ON 50 S 46) in einem Gespräch zwischen den Opfern im Faktum A und Alfred Sa***** (einem für die Gründung der „V*****“ beigezogenen Finanzberater, der in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte ON 99 S 16) „die Rede von Totalverlust gewesen sei“, musste als nicht erheblich (weil zu wenig konkret) der Mängelrüge (Z 5) entgegen nicht gesondert erörtert werden (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 409; RIS Justiz RS0118316, RS0116877). Dies gilt gleichermaßen für die Äußerung der Wirtschaftsberatung „F*****“, „keine derartigen Geschäfte zu empfehlen“ (ON 57 S 149). Dass die Opfer hinsichtlich der behaupteten Absicherung der Investitionssumme durch den Erwerb von „Zerobonds“ keine Aussagen machten, kann unter dem Gesichtspunkt des zweiten Falls der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht releviert werden (RIS Justiz RS0116767). Ob eine „Vereinbarung“ über eine derartige Investitionssicherung zustandekam (so US 12, vgl aber ON 57 S 139 ff), kann dahinstehen, weil unbestritten blieb, dass die Angeklagten den Kapitalgebern neben anderen Täuschungen den Erwerb von „Zerobonds“ als Investitionssicherung in Aussicht stellten (US 10, 21) und solcherart zur sie letztlich schädigenden Transaktion veranlassten (US 12 f).

Soweit der Beschwerdeführer eigene nicht näher spezifizierte „Leistungen“ im Zusammenhang mit den von ihm bezogenen Teilen des Investitionskapitals (US 13) einwendet, lässt er jeglichen Bezug zu entscheidenden Tatsachen vermissen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 399).

Keinesfalls widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) erweisen sich die Feststellungen des Schöffengerichts, die Angeklagten hätten die Opfer über ein gewisses Risiko aufgeklärt, jedoch darauf hingewiesen, dass sich die Anleger keine Sorgen um das Geld machen müssten (US 10).

Die Behauptung, die Geschädigten seien über die Möglichkeit des Totalverlusts des eingesetzten Kapitals nicht getäuscht worden, verfehlt als eigenständig beweiswürdigende Hypothese die prozessordnungsgemäße Darstellung einer Mängelrüge.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch A releviert die anfangs der Erledigung der Mängelrüge ersichtliche Aussage des Zeugen K***** und das ebenso bereits erwähnte Fehlen einer Vereinbarung über den Erwerb von „Zerobonds“ sowie die sich aus diversen Aussagen der Opfer abzuleitende Leichtgläubigkeit und Gedankenlosigkeit der Geschädigten. Erhebliche Bedenken gegen die den Schuldspruch tragenden Feststellungen werden damit beim Obersten Gerichtshof nicht erweckt, zumal auch die Täuschung des Unvorsichtigen das entsprechende Tatbestandsmerkmal des Betrugs erfüllt.

Ebenso versagt die Tatsachenrüge gegen den Schuldspruch wegen Untreue, die sich auf ein Hervorheben der Verantwortung des Angeklagten dazu (vgl deren negative Würdigung durch das Erstgericht US 22 f, 26) stützt und Vergleiche zum gemäß § 259 Z 2 StPO ergangenen Freispruch wegen eines anderen, ähnlich gelagerten Vorwurfs (US 5 f, 30) zieht.

Der formelle Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person (hier des Zeugen E***** US 25) ist aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht angreifbar (RIS Justiz RS0099649).

Dass der Anleger im Vertrag mit der B***** auf die Möglichkeit eines Totalverlusts seines Kapitals hingewiesen wurde, schließt fallbezogen treuwidriges also der gegenüber dem Treugeber bestehenden Fürsorgepflicht zuwiderlaufendes Handeln des Machthabers nicht aus (vgl US 18 f, 26).

Im bisher erörterten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zutreffend hingegen ist die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch A: Es fehlen nämlich die für die Annahme einer Qualifikation nach § 148 StGB notwendigen Feststellungen einer Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu lukrieren (US 15).

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass zu Gunsten des Zweitangeklagten R*****, der kein Rechtsmittel ergriffen hat (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) war daher mit der aus dem Spruch ersichtlichen teilweisen Kassation vorzugehen und diesbezüglich Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Mit seiner in der Rechtsmittelschrift offenbar irrtümlich als Berufung wegen Schuld bezeichneten Anfechtung des Strafausspruchs wird der Angeklagte W***** auf dessen Aufhebung verwiesen.

Die Erledigung der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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