11Os151/10f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koller als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mohammad Ali P***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 9. September 2010, GZ 13 Hv 94/10h 32, ferner über die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen Beschlüsse nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Mohammad Ali P***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 (richtig nur: Abs 3, vgl Kirchbacher in WK 2 § 147 Rz 61), 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er zusammengefasst wiedergegeben zwischen Oktober 2006 und Mai 2010 in Linz und anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die im Urteilsspruch bezeichneten Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vorspiegelung, zahlungsfähig und zahlungswillig zu sein, zu Handlungen, nämlich zur Erbringung von Leistungen, Lieferung von Waren, sowie Zurverfügungstellung von Wohnungen und Geschäftslokalen verleitet, die diese wegen der Nichtbezahlung von Honoraren, Rechnungen und Mieten in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, wobei er die Betrugshandlungen in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch wendet sich die auf Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.
Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge blieben die Feststellungen zum Vorliegen eines auf Überschreitung der Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB gerichteten Vorsatzes nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern wurden logisch und empirisch einwandfrei auf die Vielzahl der gleich gelagerten Angriffe, den langen Tatzeitraum und die schlechte finanzielle Situation des Angeklagten gestützt (US 27). Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang bemängelt, „eine erhebliche zeitliche Differenz von zumindest eineinhalb bis zwei oder zweieinhalb Jahren“ zwischen einzelnen Tatzeitpunkten sei unberücksichtigt geblieben und die Schadenshöhen wären nur „an Hand von Urteilen oder Zahlungsbefehlen“ begründet worden, bekämpft sie lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung, ohne einen Begründungsmangel aufzeigen zu können.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen, welche „konkrete Täuschungshandlungen der Angeklagte … begangen haben soll“. Sie legt aber auch durch die Bezugnahme auf „Tathandlungen im Rahmen eines lebenden Unternehmens“ nicht dar, welcher Konstatierungen über jene, wonach der Angeklagte es stets unterließ, seine Vertragspartner über die bei ihm vorliegende Zahlungsunfähigkeit aufzuklären, wobei er ihnen glaubhaft machte, er werde als redlicher Geschäftspartner seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllen und es ihm regelmäßig dabei gelang, trotz seiner Zahlungsunfähigkeit einen sehr seriösen Eindruck zu hinterlassen (US 12, 19 und 26), hinaus es noch zur verlässlichen Beurteilung bedurft hätte. Feststellungen zur Kausalität der Täuschungshandlungen finden sich der Beschwerde zuwider auf US 13 („im Vertrauen auf die Redlichkeit des Angeklagten erbrachten die jeweiligen Vertragspartner Leistungen, …“).
Von einem substanzlosen Gebrauch der verba legalia in Bezug auf die subjektive Tatseite kann keine Rede sein, wahren die Feststellungen doch stets den Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090 [T1, 2]). Soweit die Beschwerde die Wissenskomponente die Täuschungshandlungen betreffend vermisst, ist sie auf die Konstatierungen US 19 zu verweisen, wonach der Angeklagte jeweils „wusste, dass er diese Leistungen nicht oder nur teilweise bezahlen wird“. Gleiches gilt für die Schädigung der Geschäftspartner und die ungerechtfertigte Bereicherung, die der Angeklagte nach den Urteilsannahmen „billigend in Kauf“ nahm und sich damit abfand (US 19).
Wenn die Rüge (dSn Z 10) weiters behauptet, bei einzelnen Fakten sei nicht der Angeklagte, sondern die R***** KEG bereichert, weshalb keine gewerbsmäßige Tendenz vorliege, geht sie nicht von den Feststellungen aus, wonach es dem Angeklagten darum ging, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 19 f). Das Vorbringen, die Feststellungen US 22 bis 25 (bei denen es sich in Wahrheit um beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts handelt) würden nicht ausreichen, um den Tatbestand herzustellen, erschöpft sich in dieser pauschalen Behauptung. Welcher zusätzlichen Konstatierungen es bedurft hätte, vermag die Beschwerde nämlich nicht darzulegen. Soweit sie schließlich unter eigenständigen Beweiswerterwägungen die Schadenshöhe oder die vom Erstgericht angenommene Vermögenslosigkeit des Angeklagten kritisiert, bekämpft sie neuerlich lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne einen Rechtsfehler oder einen Begründungsmangel aufzeigen zu können.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) reklamiert Feststellungen zum Wert der in den Mietobjekten zurückgelassenen Gegenstände, benennt aber kein Sachverhaltssubstrat, das solche Konstatierungen indizieren würde ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 601).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt.
Für dessen Entscheidung bleibt anzumerken:
Sieht sich der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklichem Hinweis auf eine verfehlte Subsumtion (hier die Annahme von § 147 Abs 2 StGB neben Abs 3 leg cit, vgl eingangs der Gründe) mangels eines darüber hinausgehenden konkreten Nachteils für den Angeklagten (vgl 12 Os 15/04) nicht zu amtswegigen Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst, besteht bei der Entscheidung über die Berufung, bei der das Berufungsgericht an die in der Rechtsmittelschrift vorgetragenen Berufungsgründe nicht gebunden ist, insoweit auch keine (dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS Justiz RS0118870).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.