JudikaturOGH

14Os159/10d – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Dezember 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, Mag. Marek und Mag. Michel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fries als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter W***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7. Juni 2010, GZ 17 Hv 175/09d 39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen rechtskräftigen Freispruch vom Vorwurf des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB enthält, wurde Peter W***** der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (1), der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (2) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.

Demnach hat er

(1) am 18. Juli 2007 in Graz Regina H***** fremde bewegliche Sachen, und zwar eine Handkasse mit 230 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen;

(2) am 20. Oktober 2009 in Kapfenberg durch das Einsetzen des Namens sowie der Daten des Andreas S***** und die Unterschrift mit diesem Namen auf dem Gästeblatt eines im Urteil genannten Hotels eine (richtig:) falsche Urkunde zum Beweis von Tatsachen, und zwar seiner Identität, gebraucht;

(3) am 3. November 2009 in Graz Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich einen Führerschein, eine E Card und einen Studentenausweis des Florian Sch***** mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen undifferenziert aus den Gründen der Z 5 und „9“ des § 281 Abs 1 StPO erhobenen (fälschlich als „volle Berufung“ bezeichneten) Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch 1 haben sich die Tatrichter mit dem Umstand, dass die Zeugin Regina H***** in der Hauptverhandlung angegeben hatte, der Angeklagte sei im Vergleich zum Tatzeitpunkt korpulenter, wohingegen der Angeklagte nach Ausdrucken aus der Vollzugsverwaltung im Jänner 2006 und anlässlich seiner Festnahme im März 2010 ein Gewicht von (jeweils) 70 kg aufgewiesen hat, auseinandergesetzt (US 9), sodass die (der Sache nach) behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht gegeben ist. Das Vorbringen, es liege „mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Irrtum der Zeugin“ vor, bekämpft lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Mit dem Rekurs auf den Zweifelsgrundsatz wird kein Begründungsfehler aufgezeigt (RIS Justiz RS0102162).

Die Kritik an der Begründung zum Schuldspruch 3 nimmt mit dem Verweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten, wonach er die Urkunden gefunden und die Absicht gehabt habe, diese bei der Polizei abzugeben, nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß und ist demnach nicht gesetzmäßig ausgeführt ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 394). Die Tatrichter stützten nämlich die Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf den Umstand, dass der Angeklagte die Urkunden rund zwei Wochen mit sich führte (US 10), was unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist. Mit dem Einwand, das „Besitzen“ dieser Urkunden würde “keinen Sinn“ ergeben, weil diese vom Angeklagten nicht „in irgendeiner Form verwendet werden könnten“, wird neuerlich die tatrichterliche Beweiswürdigung kritisiert.

Mit dem Vorbringen, der Angeklagte habe angegeben, sich verfolgt gefühlt und deshalb eine falsche Identität gebraucht zu haben, sodass das Erstgericht „von einem Rechtsfertigungsgrund ausgehen“ und „den Angeklagten freisprechen“ hätte müssen, wird der Sache nach ein Feststellungsmangel zu einem Ausnahmesatz angesprochen (Z 9 lit b). Die prozessordnungskonforme Darstellung eines solchen erfordert stets den Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, aber indizierten und unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes bedeutsamen Sachverhalt ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 600). Dabei muss sich die Rüge bezüglich der Frage, ob eine hinreichende Feststellungsbasis gegeben ist, an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientieren, welchem Erfordernis die gegenständliche Beschwerde nicht gerecht wird, indem sie die Urteilsannahmen, wonach der behauptete rechtfertigende Sachverhalt gerade nicht vorgelegen ist (US 9 f), übergeht. Der Hinweis, die „Darlegungen“ des Angeklagten seien „durchaus plausibel“, stellt sich bloß als weitere unzulässige Kritik an der den Tatrichtern vorbehaltenen Beweiswürdigung dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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