15Os141/10i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fries als Schriftführer in der Strafsache gegen Dejan O***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten sowie über die ihn betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Juni 2010, GZ 95 Hv 57/10p 93, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten O***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten Rene N***** und einen rechtskräftigen Freispruch der Angeklagten Mirjana M***** enthält, wurde Dejan O***** der Verbrechen (zu A./) des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, (zu B./) der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, (zu C./) der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, sowie (D./) der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Rene N***** am 21. und 22. März 2009 in Wien Bogosav S*****.
A./ mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem sie dem Genannten zahlreiche Faustschläge und Fußtritte in das Gesicht und gegen den Körper versetzten, ihm mit weiteren massiven Gewalthandlungen drohten und ihm zwei Mobiltelefone im Wert von jeweils ca 100 Euro und einen Goldring im Wert von 100 Euro wegnahmen;
B./ schwere Körperverletzungen absichtlich zugefügt, indem sie dem Genannten zahlreiche Faustschläge in das Gesicht sowie Faustschläge und Fußtritte gegen den Oberkörper versetzten, wobei Rene N***** mit Stiefeln mit Stahlkappen auf das Opfer eintrat und Dejan O***** mit einem metallenen Staubsaugerrohr fest auf den Genannten einschlug, sowie unter Verwendung eines Pfeffersprays und eines Küchenmessers, wobei Dejan O***** gegen den Oberkörper des Opfers mit einem Küchenmesser einstach und dessen Hände verletzte, wodurch Bogosav S***** neben einer Schädelprellung mit Rissquetschwunde und Blutunterlaufungen im Bereich der Augen und der Ober und Unterlippe einen Bruch des rechten Jochbogens, eine (richtig:) Brustkorbprellung mit Blutunterlaufungen, Prellungen an beiden Armen und am rechten Oberschenkel sowie eine Rissquetschwunde am linken Kniegelenk und Schnittwunden an beiden Händen erlitt, sowie die Tat eine schwere Dauerfolge nach sich zog, nämlich ein stumpfes Bauchtrauma mit einer Zerreißung der Milz und Blutung in die Bauchhöhle sowie eine Läsion des queren Dickdarms;
C./ widerrechtlich gefangen gehalten bzw ihm auf andere Weise die persönliche Freiheit entzogen, wobei die Tat auf solche Weise erfolgte, dass sie dem Festgehaltenen besondere Qualen bereitete, indem sie Bogosav S***** ca 20 Stunden in der Wohnung des Rene N*****, gegen seinen Willen festhielten, ihm die unter A./ und B./ angeführten Verletzungen und Qualen zufügten sowie ihm mit einem Deospray, dessen Gas sie mit einem Feuerzeug entzündeten, die Haare und Augenbrauen absengten und ihm in der Folge die Haare gewaltsam mit einer Haarschneidemaschine abschnitten bzw ausrissen und ihm mit einem Pfefferspray ins Gesicht spritzten;
D./ mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum Trinken von drei Gläsern mit jeweils einem Viertelliter Schnaps genötigt, wobei sie mit dem Tod drohten und die genötigte Person, gegen die sich die Gewalt richtete, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzten, indem sie die unter A./ bis C./ gesetzten Tathandlungen verübten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dejan O*****; sie schlägt fehl.
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine offenbar unzureichende Begründung der festgestellten Absicht in Richtung einer schweren Körperverletzung zu B./, vermag aber keine Defizite der vom Schöffengericht aus den objektiven Umständen, nämlich insbesondere „der Intensität der Misshandlungen und der herangezogenen Gegenstände (Metallrohr, Nietenstiefel)“ (US 23 f), methodisch gerechtfertigt und rechtsstaatlich zulässig (RIS-Justiz RS0116882) gezogenen Schlüsse vom gezeigten Verhalten auf die zugrunde liegende Intention aufzuzeigen. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auch die Feststellung zum Vorsatz punkto schwerer Dauerfolge kritisiert, vernachlässigt sie, dass für die Anlastung dieser Qualifikation Vorsatz gar nicht erforderlich ist, sondern Fahrlässigkeit genügt ( Burgstaller/Fabrizy in WK 2 § 87 Rz 10).
Indem die Beschwerde unter Z 5 (der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5, s Ratz in WK 2 Vorbem zu §§ 21 25 Rz 9) die Feststellungen zur geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad und zu ihrem Einfluss auf die Anlasstat als in sich widersprüchlich und unzureichend begründet bekämpft, zeigt sie zum einen keinen Widerspruch auf, weil das Nichtvorliegen einer Geisteskrankheit oder eines anderen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB) schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut (§ 21 Abs 2 StGB) nicht in Widerspruch zum Vorliegen eines Zustands geistiger oder seelischer Abartigkeit höheren Grades steht. Zum anderen aber durfte sich das Schöffengericht zur Begründung ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungen auf das vorliegende Sachverständigengutachten Dris. P***** (ON 55, ON 86, S 54 ff) berufen, welchem die Beschwerde mit der Behauptung einer unzureichenden Befundaufnahme (s aber die Protokollierung der ausführlichen Befragung des Angeklagten durch den SV ON 55, S 4 6) und der neuerlichen Verkennung des Unterschieds zwischen dem in Abs 1 des § 21 StGB einerseits und dem in Abs 2 leg cit andererseits genannten Zustand keine Mängel iSd § 127 Abs 3 StPO nachweisen kann.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zur subjektiven Tatseite zu B./ und ohne Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse ebenso wenig wie mit dem Aufzeigen von Widersprüchen des Zeugen S***** zum Wortlaut der Drohung zu D./ erhebliche Bedenken des Obersten Gerichthofs gegen die Richtigkeit der entsprechenden Urteilsfeststellungen zu wecken.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet das Fehlen von Feststellungen zu B./, welche der konstatierten mehreren Verletzungen, die dem Opfer bei der Tat zugefügt worden sind, „als schwer“ zu qualifizieren seien, übersieht jedoch, dass der reklamierte Umstand keine Tatsache, sondern eine Rechtsfrage darstellt ( Burgstaller/Fabrizy in WK 2 § 84 Rz 18), die ihrerseits keiner urteilsmäßigen „Feststellung“ bedarf (vgl Danek , WK StPO § 270 Rz 41). Im Übrigen sind mehrere Verletzungen, die einer Person bei einer Tat zugefügt wurden, in ihrer Gesamtheit auf das Vorliegen einer an sich schweren Verletzung bzw Gesundheitsschädigung hin zu beurteilen ( Burgstaller/Fabrizy in WK 2 § 84 Rz 26).
Zu D./ bestreitet die Beschwerde prozessordnungswidrig die Feststellungen zur Drohung mit dem Tod (US 13) und lässt im Weiteren mit der Behauptung, dass eine bloß verbale Drohung, jemanden zu töten, nicht geeignet sei, diesem begründete Besorgnis in Bezug auf eine tatsächliche Tötung seiner Person einzuflößen, die weiteren Feststellungen außer Acht, dass die Drohung gegenüber einem von den Drohenden in einer Wohnung gefangen gehaltenen, bereits beraubten und durch mehrfache Gewalteinwirkungen schwer am Körper verletzten Opfer geäußert wurde. Nicht am Gesetz orientiert sich die Beschwerde auch mit der Behauptung, dass zusätzliche Feststellungen darüber erforderlich seien, auf welche Weise die Umsetzung der angedrohten Tat erfolgen hätte sollen, ist es doch für die Tatbestandsmäßigkeit nicht erforderlich, dass der Drohende seine Drohung verwirklichen will oder tatsächlich verwirklicht.
Indem die Subsumtionsrüge zu diesem Schuldspruch weiters behauptet, die Qualifikation der Z 2 des § 106 Abs 1 StGB sei nach den Feststellungen nicht verwirklicht, weil Mittel zur Nötigung nur ein Schlag ins Gesicht und verbale Drohung mit weiterer Gewalt gewesen seien, orientiert sie sich nicht an den Urteilskonstatierungen, denen zufolge erkennbar ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 19) auch die im Urteil beschriebenen, zuvor begangenen Tathandlungen Nötigungsmittel waren (US 11 ff iVm 5).
Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) behauptet das Fehlen von Feststellungen zur geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad und ihrem Einfluss auf die Anlasstat, vernachlässigt jedoch die hinreichenden wenngleich disloziert erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen Konstatierungen US 34.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.