JudikaturOGH

13Os45/10g – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. November 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Saadati als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mechtild B***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 17. Novem ber 2009, GZ 21 Hv 136/09g 11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mechtild B***** von der Anklage freigesprochen (§ 259 Z 3 StPO), sie habe vom 25. August 2003 bis Mitte März 2008 in W***** als Bürgermeisterin der Gemeinde W*****, sohin als Beamtin, mit dem Vorsatz, das Land Vorarlberg und die Gemeinde W***** sowie die Antragsteller Werner und Isolde H***** an ihren konkreten Rechten auf Einhaltung der Bestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes samt darauf bezogener Verfahrensvorschriften, insbesondere des Grundsatzes der Raschheit im Ermittlungsverfahren und der Verpflichtung zur Entscheidung über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach Einlangen (insbesondere nach §§ 39 Abs 2, 73 Abs 1 AVG), zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ, nämlich als Baubehörde erster Instanz, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass sie den Antrag von Werner und Isolde H*****, Daniel M***** bescheidmäßig die Beseitigung des Überbaus von seinem Grundstück Nr ***** Grundbuch ***** auf das Grundstück der Antragsteller Grundstück Nr ***** Grundbuch ***** und somit die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands aufzutragen, unerledigt ließ und es unterließ, entsprechend den Vorschriften des Vorarlberger Baugesetzes in der jeweils geltenden Fassung, insbesondere § 40 Vorarlberger Baugesetz, zu handeln und das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag bzw die Beseitigung des Überbaus zu ermitteln.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Die Tatrichter gingen zusammengefasst davon aus, dass die Angeklagte von 23. April 2003 bis Mitte März 2008 wissentlich den Antrag von Werner und Isolde H*****, Daniel M***** bescheidmäßig die Beseitigung des Überbaus von dessen auf ihr Grundstück und somit die Wiederherstellung des vorigen Zustands aufzutragen, unerledigt ließ. Doch müsse offen bleiben, wie es im Urteil heißt, ob sie es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, das Land Vorarlberg und die Gemeinde W***** sowie die Antragsteller Werner und Isolde H***** in ihren Rechten auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften, insbesondere des Grundsatzes der Raschheit im Ermittlungsverfahren (§ 39 Abs 2 AVG) und der Verpflichtung, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen (§ 73 Abs 1 AVG), zu schädigen (US 12 f).

Was an der vorliegenden Negativfeststellung zum Schädigungsvorsatz undeutlich sein soll (Z 5 erster Fall), legt die Staatsanwaltschaft nicht dar.

Zudem geht die Beschwerde (Z 5 dritter Fall) im Ansatz fehl, weil die als einander widerstreitend gerügten Konstatierungen zur inneren Tatseite verschiedene eigenständige Bezugspunkte haben, nämlich Tathandlung (pflichtwidriger Gebrauch oder Nichtgebrauch einer Befugnis) einerseits und Taterfolg (Schädigung eines anderen an seinen Rechten) andererseits (vgl zB Jerabek/E. Fuchs , Korruption und Amtsmissbrauch, § 302 Rz 43, 46), und daher keineswegs nach den Denkgesetzen unvereinbar sind ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 438; vgl 13 Os 140/93 = SSt 62/1; im vorliegenden Fall war die Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen übrigens bestrebt, dem ursprünglichen Begehren der Antragsteller entsprechend eine gütliche Regelung zwischen den Nachbarn herbeizuführen: US 13, vgl auch US 5 ff, 17).

Angesichts der zuletzt genannten Intention der Angeklagten (US 13, 17 ff) erforderten ihre Angaben zu mehrmals jährlich bei Sitzungen des Gemeinderats erfolgten Zusammentreffen mit dem Gegner der Antragsteller der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider keine weitere Erörterung.

Soweit die Staatsanwaltschaft schließlich „auf Grund der engen beruflichen Kontakte der Angeklagten zu Daniel M*****“ Feststellungen dahin begehrt, dass sie „durch ihr ‚Untätigsein’ im Baurechtsverfahren diesen begünstigt“ und eine Schädigung der Antragsgegner, des Landes Vorarlberg und der Gemeinde W***** an ihren konkreten Rechten „als naheliegend erachtet und sich damit abgefunden hat“, verfehlt sie den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099025 [T13]). Sie bekämpft solcherart nach Art einer zur Anfechtung schöffengerichtlicher Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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