14Os141/10g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Koller als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Mai 2010, GZ 153 Hv 61/10b 122, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung Christian B***** und Caroline K***** (vormals B*****) von der wider sie erhobenen Anklage, es hätten in Wien
(I)A) Christian B***** von Anfang Mai 2007 bis Anfang Jänner 2009 Konrad U***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, und zwar 258 kg Cannabisharz und Cannabiskraut, gewerbsmäßig überlassen, nachdem er schon einmal wegen einer § 28a Abs 1 SMG entsprechende Straftat verurteilt worden war,
(II)A) Caroline K***** zu der unter I/A beschriebenen Tat beigetragen, indem sie „in einer noch festzustellenden Anzahl von Fällen“ im Urteilstenor namentlich genannten Suchtgiftlieferanten die Ware bezahlte bzw von Konrad U***** das Geld für gelieferte Cannabisplatten übernahm,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu.
Ein Urteil ist dann unvollständig im Sinn der Z 5, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS Justiz RS0118316).
Mit dem bloßen Hinweis, die Tatrichter hätten die Aussage der Zeugin Gabriele M*****, wonach ihr der abgesondert verfolgte Konrad U***** mitgeteilt habe, dass Christian B***** schuld sei, wenn ihm etwas passiere, nicht berücksichtigt, sowie die Umstände, dass Christian B***** trotz zugestandener Schulden von 20.000 Euro laut TÜ Protokoll Nr 338 (ON 36 S 5) Konrad U***** 14.235 Euro geborgt habe und anlässlich einer Hausdurchsuchung bei Christian B***** 2.000 Euro Bargeld sichergestellt worden seien, außerachtgelassen, legt die Mängelrüge nicht dar, inwieweit diese Verfahrensergebnisse geeignet sein sollten, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache, und zwar dem nicht erfolgten Überlassen von Suchtgift durch Christian B***** an Konrad U*****, maßgebend zu beeinflussen (RIS Justiz RS0116877).
Im Übrigen haben sich die Tatrichter mit der Aussage der Zeugin Gabriele M***** auseinandergesetzt (US 35) und eingehend erörtert, weshalb sie auch diese nicht zur Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten als geeignet erachteten. Dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend waren sie dabei nicht verpflichtet, sich mit sämtlichen Aussagedetails auseinanderzusetzen. Ebenso wurden die Ergebnisse der Telefonüberwachung und der Schuldenstand des Christian B***** ausreichend berücksichtigt (US 26 und US 7).
Das Vorbringen, wonach vom Erstgericht mit Stillschweigen übergangen worden sei, dass „Konrad U***** schon zum Zeitpunkt der Urteilsfällung (zwar noch nicht rechtskräftig) bei der selben Beweislage mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. 9. 2009, 41 Hv 83/09p wegen § 28a Abs 1, fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, begangen durch den Kauf der Suchtgifte vom Erstangeklagten Chrisitan B***** zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden war“ und dieses Urteil mittlerweile in Rechtskraft erwuchs, verkennt, dass das Gericht die Frage, ob und inwieweit der Angeklagte schuldig ist, aufgrund seiner eigenen Feststellungen selbstständig zu lösen hat, auch wenn die Tat von einem anderen Gericht in einem anderen Verfahren abweichend beurteilt worden ist ( Fabrizy , StPO 10 § 15 Rz 3 mwN).
Betreffend Caroline K***** wurden weder bei der Anmeldung noch bei der Ausführung der Beschwerde Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.